Die wohl beliebteste englische Schriftstellerin, die über Liebe, Heirat und Ehe schrieb

Zum 200. Todestag von Jane Austen

Von Manfred OrlickRSS-Newsfeed neuer Artikel von Manfred Orlick

Kaum eine Schriftstellerin hat in den letzten Jahren eine solche Renaissance erfahren wie Jane Austen, die am 18. Juli vor 200 Jahren gestorben ist. Ihre Romane verkaufen sich noch heute rund um den Globus in hohen Stückzahlen und viele davon wurden überaus erfolgreich verfilmt. Ihre Werke Emma oder Stolz und Vorurteil sind nicht nur Klassiker, sondern auch heutzutage noch in aller Munde. Ein Phänomen, denn zu ihrer Zeit war sie eine weitgehend unbekannte Autorin. Besonders in Deutschland ist ein regelrechter „Austen-Hype“ ausgebrochen, der sich im Vorfeld ihres Jubiläums mit zahlreichen Neuübersetzungen noch steigerte, dabei erschien die erste deutsche Austen-Biografie erst vor knapp 30 Jahren.

Wer also war diese Jane Austen? Am 16. Dezember 1775 wurde sie in Steventon, Hampshire, als siebtes von acht Kindern des Pfarrers George Austen und seiner Frau Cassandra geboren. Wie ihre Geschwister wurde sie weitgehend zu Hause von ihrem Vater unterrichtet. Angeregt durch die elterliche Bibliothek entwickelte sich bald eine literarische Neigung, die der Vater stets förderte. Bereits im zarten Alter von zwölf Jahren begann sie zu schreiben, meist kurze Prosatexte, in denen sie sich satirisch mit den gesellschaftlichen Konventionen ihrer Zeit auseinandersetzte. Außerdem experimentierte sie mit unterschiedlichen literarischen Formen. Einige ihrer Jugendwerke überarbeitete sie später teilweise. So entstanden in der Mitte der 1790er-Jahre mit Elinor and Marianne und First Impressions Vorformen ihrer später bekannten Romane Sense and Sensibility (dt. Verstand und Gefühl) und Pride and Prejudice (dt. Stolz und Vorurteil). Ihr Vater wollte den angesehenen Londoner Verleger Thomas Cadell für das Manuskript von First Impressions gewinnen, doch das Bittschreiben kam mit dem Vermerk „abgelehnt“ zurück.

Die junge Jane ließ sich jedoch nicht entmutigen und schrieb zwischen 1798 und 1803 den Briefroman Susan, der aber in einer Überarbeitung erst postum unter dem Titel Northanger Abbey (dt. Die Abtei von Northanger) erschien. Als witzige und boshafte Satire auf den Schauerroman gedacht, zeigt das Buch die Schriftstellerin bereits auf der Höhe ihrer Kunst.

Austen blieb wie ihre ältere Schwester Cassandra zeitlebens unverheiratet. Über ihre Liebesbeziehungen und Männerbekanntschaften wird bis heute noch gerätselt. 1795 lernte sie den irischstämmigen Thomas Langlois Lefroy kennen, der Jurist werden wollte. Beide waren wohl eine Zeitlang heimlich verlobt. Toms Eltern unterbanden jedoch die Beziehung, ihr Sohn sollte eine „bessere Partie“ ehelichen.

1801 zog die Familie Austen Hals über Kopf in den Kurort Bath in der Nähe von Bristol. Hier verbrachte die Gesellschaft der Adligen und Begüterten vor allem die Wintermonate. Die Austens wählten Bath wahrscheinlich aus zwei Gründen: Zum einen fanden die kränkelnden Eltern hier Heilquellen, zum anderen hofften sie vielleicht, in Bath ihre beiden noch unverheirateten Töchter unter die Haube bringen zu können. Schließlich bot der Kurort mit seinen Bällen und Empfängen zahlreiche Gelegenheiten des Kennenlernens. Jane durchschaute die elterlichen Planungen und entwickelte eine allgemeine Antipathie gegen Bath. Dennoch machte Harris Bigg Wither, ein sechs Jahre jüngerer Freund der Familie, ihr 1802 einen Heiratsantrag. Zunächst nahm Jane den Antrag des begüterten Landadligen an, doch dann gewann die Gewissheit die Oberhand, dass sie diesen Mann niemals lieben könnte. Trotz der peinlichen Situation und des zu erwartenden Skandals zog sie ihre Zusage zurück. Ansonsten ist aus den Jahren in Bath nur wenig über Janes Leben und ihr schriftstellerisches Wirken bekannt – außer, dass sie hier den Roman The Watsons begann, die Arbeit an ihm aber mit dem Tod des Vaters (1805) abbrach und später auch nicht wieder aufnahm.

Die Mutter zog mit ihren beiden unverheirateten Töchtern nach Southampton und vier Jahre später nach Chawton – beide Mal zu einem Sohn. In dem Dorf Chawton bewohnten die Frauen ein kleines Landhaus. Es sollten die erfolgreichsten Jahre Jane Austens werden. Zunächst veröffentlicht sie 1811 Sense and Sensibility unter dem Pseudonym „By a Lady“. Nur ein kleiner Kreis von Angehörigen und Verwandten wurde in ihre Autorenschaft eingeweiht. Der Roman, von dem 1813 eine zweite Auflage erschien, gilt als ihr Debütwerk. Da der Verleger nicht an einen Bucherfolg glaubte, musste Austen die Herstellungskosten in Höhe von rund 150 Pfund (damals sehr viel Geld) vorschießen. Im Mittelpunkt des Romans stehen die beiden Schwestern Elinor und Marianne Dashwood, die charakterlich nicht unterschiedlicher sein können. Elinor, die Vernünftige, und Marianne, die Gefühlvolle, suchen nach echter Liebe und Zuneigung, doch beide müssen Enttäuschungen erleben und kommen sich dadurch näher. Der Roman zeichnet sich besonders durch seine meisterlichen und facettenreichen Charakterdarstellungen aus.

Im Januar 1813 erschien dann Pride and Prejudice. Der wohl berühmteste Roman der englischen Autorin ist eine romantische Gesellschaftssatire, die mit dem häufig zitierten Satz „Es ist eine allgemein anerkannte Wahrheit, dass ein Junggeselle im Besitz eines schönen Vermögens nichts dringender braucht, als eine Frau“ eröffnet wird. Dieser Auftakt schlägt sofort das Grundthema des Romans an. Die Familie Bennet hat gleich fünf unverheiratete Töchter, aber sie braucht dringend männlichen Nachwuchs, der das Vermögen der Familie erben kann. Daher wird die Verheiratung ihrer Töchter zur Lebensaufgabe der resoluten Mrs. Bennet. Austen schildert das Heiratskarussell mit spitzer Feder und vielen geschliffenen Dialogen, aber auch mit viel englischem Charme. Der Roman erhielt gute Kritiken und aufgrund des Verkaufserfolges erschien bereits im November 1813 eine zweite Auflage.

Zwischen 1811 und 1813 entstand der satirische Roman Mansfield Park, der ein Jahr später erschien (ebenfalls anonym). Neben dem dichten Beziehungsgeflecht zwischen den Protagonisten beleuchtet Austen hier auch deren soziales Milieu. Im Gegensatz zu ihren beiden ersten Romanen wurde Mansfield Park jedoch von der Kritik nahezu ignoriert. Trotz des Misserfolges begann Austen mit Emma, ihrem vierten Roman, in dem sie sich noch einmal mit dem Thema des gesellschaftlichen Aufstiegs durch Heirat auseinandersetzt. Die selbstbewusste Romanheldin Emma Woodhouse, die selbst nicht heiraten will, ist fast ausschließlich damit beschäftigt, ihre Verwandten und Bekannten vorteilhaft unter die Haube zu bringen. Mit ihren Verkupplungsversuchen schafft sie allerdings mitunter prekäre Verwicklungen, sodass sie schließlich selbst einen Heiratsantrag bekommt. Der ironisch-subtile Roman stieß bei seinem Erscheinen auf ein geteiltes Echo, heute jedoch gilt Emma als ihr reifstes Werk.

1815/16 entstand der Roman Persuasion (dt. Überredung), ohne dass Austen ernsthafte Schritte zu seiner Veröffentlichung unternahm. Es wird vermutet, dass sie darin das Scheitern ihrer Jugendliebe aus dem Jahre 1801 verarbeitete. Persuasion sollte ihr letzter vollendeter Roman werden, der erst postum 1818 erschien. Im Laufe des Jahres verschlechterte sich ihr Gesundheitszustand – wahrscheinlich die ersten Symptome der damals unheilbaren Addisonschen Krankheit. Dennoch nahm sie mit Sanditon einen weiteren Roman in Angriff, von dem große Teile im Krankenbett entstanden. (Das Fragment wurde 1925 erstmals veröffentlicht; 1975 unternahm eine Austen-Verehrerin den Versuch, die Handlung kunstvoll fortzuspinnen.) In ihren letzten Wochen wurde Jane Austen aufopferungsvoll von ihrer Schwester Cassandra gepflegt, Noch im Mai 1817 brachen sie ins nahe gelegene Winchester auf, wo sie auf ärztliche Hilfe hofften – vergebens. Am 18. Juli 1817 starb Jane Austen in den Armen ihrer Schwester. Ein paar Tage später wurde sie in der Kathedrale von Winchester beigesetzt. Auf dem schlichten Grabstein fehlte jedoch jeder Hinweis auf die Schriftstellerin.

Janes Bruder Henry meinte einmal, sie hätte ein ereignisloses Leben geführt, und dennoch hätte sie etwas zu erzählen – etwas, was nach 200 Jahren immer noch Bestand hat, möchte man hinzufügen. Ihre großen Themen waren Liebe, Heirat und Ehe. In ihren Romanen, die sich durch subtile Beobachtungen und treffende Charakterdarstellungen auszeichnen, spiegelt sich die realistische Lage der bürgerlichen Frau am Beginn des 19. Jahrhunderts wider, wobei auch Wunschvorstellungen und Verhaltensvorschriften Motive sind. Oft als Trivialliteratur belächelt (die „Rosamunde Pilcher des frühen 19. Jahrhunderts“) und verkannt, sind ihre Werke doch herausragende und unterhaltsame Zeugen für die Zeit des Empire.

Natürlich muss einschränkend gesagt werden, dass Austen zwar in einer Zeit gesellschaftlicher und politischer Umwälzungen lebte (Französische Revolution und Amerikanischer Unabhängigkeitskrieg), deren Folgen aber keinerlei Niederschlag in ihren Roman fanden. Trotzdem gelten sie als die ersten Gesellschaftsromane der englischen Literatur, die später durch Charles Dickens oder William Thackeray fortgeführt und mit sozialen Aspekten erweitert wurden. Einen Nachfolger fand Austen später in dem „Frauen-Romancier“ Henry James, der ihr mit seiner „weiblichen“ Themenauswahl und seinem Sprachstil nahestand. Noch wichtiger jedoch ist die Vorbildwirkung ihrer Romane für die späteren Schriftstellerinnen wie etwa die Geschwister Brontë, George Eliot oder Emily Dickinson, die zwar alle aus ihrer kleinen überschaubaren Welt heraus über die Liebe und Ehe schrieben, aber schon vorsichtig an den fest gefügten Frauenbildern rüttelten. Diese Reihe großer englischer Autorinnen, die sich in ihren Werken den sozialen und gesellschaftlichen Zwängen der Frauen widmeten, lässt sich bis ins 20. Jahrhundert verfolgen, wobei besonders an Virginia Woolf oder Doris Lessing zu denken ist.