Papa wird’s zu bunt

Ein Kinderbuch hinterfragt mit treffendem Witz Geschlechter-Stereotype

Von Wieland SchwanebeckRSS-Newsfeed neuer Artikel von Wieland Schwanebeck

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Es ist ein Elend mit der medialen Prägung unserer Kleinsten. Wer regelmäßig nach Kleidung, Spielzeug und Lesestoff für den Nachwuchs Ausschau hält, dürfte eine Ahnung davon besitzen, wie stur die Welt in rosa und blau geteilt ist, und wie hartnäckig Mädchen und Jungs mit rosa Einhörnern beziehungsweise schwarz- und blaugewandten Ninjakriegern konfrontiert werden, bis sie selbst daran glauben müssen, dass es so ist und nicht anders sein kann.

Ludovic Flamant hat mit Puppen sind doch nichts für Jungen! eine kleine Geschichte ersonnen, die so manche Annahme darüber, was in der Frage der Geschlechterrollen normal und natürlich ist, in Frage stellt. Ein Kind schildert da, wie seine als Exzentrikerin verschriene Tante (die sich beim genauen Blick freilich als aufgeklärter Freigeist mit starker Persönlichkeit entpuppt) dem kleinen Bruder Nico das wenig ,jungenhaft‘ anmutende Geschenk einer Stoffpuppe macht – was der Vater der beiden Kinder zunächst als leichte Schrulle weglächelt, allerdings nur solange, bis der ,Puppenpapa‘ nicht die Grenzen des häuslichen, von der väterlichen Geschlechterpolizei streng patrouillierten Territoriums verlässt. Als Nico seine geliebte Puppe stolz mit in die Schule nehmen möchte, versteht der pater familias keinen Spaß mehr, und dem Kind blühen ein paar väterliche Männlichkeitslektionen, die zunächst in den Spielzeugladen führen, bald aber einen unerwarteten und äußerst amüsant zu lesenden Ausgang der Geschichte heraufbeschwören.

Dieses für Groß und Klein ersonnene, geistreich geschilderte Buch gehört in eine Reihe mit satirischen Darstellungen der Geschlechterpädagogik, die sich trauen, das Blau-Rosa-Universum aufzubrechen. So zeigen sich einige Parallelen mit „Homers gewisse Ängste“ (1997), einer preisgekrönten Folge der Simpsons, in der Vater Homer seinem Filius Bart einen Crashkurs in Sachen Männlichkeit erteilen will, um den Jungen vor der Homosexualität zu bewahren, nur um dann herauszufinden, dass die Grenzen längst nicht so trennscharf verlaufen wie angenommen.

Jean-Luc Englebert hat Flamants warmherzige Geschichte, die mit viel Humor, aber ohne erhobenen Zeigefinger sachte zum Nachdenken über verfestigte Geschlechterbilder anregt, mit pointierten Zeichnungen illustriert, die nicht nur dem Nachwuchs Lust auf wiederholte Lektüre machen dürften.

Titelbild

Ludovic Flamant / Jean-Luc Englebert: Puppen sind doch nichts für Jungen!
Übersetzt aus dem Französischen von Alexander Potyka.
Picus Verlag, Wien 2017.
40 Seiten, 13,00 EUR.
ISBN-13: 9783854521976

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