Flüchtlinge, Goldenes Matriarchat und Künstlersozialversicherung

Über Stefanie Sargnagels „Statusmeldungen“

Von Christina DittmerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Christina Dittmer

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Die österreichische Autorin Stefanie Sargnagel hat sich in den letzten Jahren einen Namen gemacht, insbesondere als Persona non grata der rechtspopulistischen FPÖ und Ziel rechtsgesinnter Shitstorms. Ihre kleinen Facebook-Provokationen, scharfsinnigen Beobachtungen und Alltagsnöte hat sie nun erneut in einem Buch zusammengefasst – und damit einen kleinen Moment des Internets 2015/16 ausgedruckt, so könnte man sagen, wenn auch ohne die vielsagenden Kommentare der User. Sie schreibt mit Statusmeldungen auch ein Stück Zeitgeschichte: Was bewegt Österreich in diesen beiden Jahren? Während der FPÖ-Politiker Norbert Hofer beinahe die Bundespräsidentenwahl gewinnt, schmuggelt Sargnagel Flüchtlinge über die Grenze: „Wir haben gestern wieder Wirtschaftsflüchtlinge von Ungarn nach Wien gefahren, damit sie aus Österreich ein Kalifat machen. […] Ich habe vor lauter Aktivismus schon Dreadlocks, weil ich aufs Frisieren vergesse. […] Ich mochte Flüchtlingshilfe lieber, als sie noch mehr underground war.“

Die einzelnen „Statusmeldungen“ bewegen sich zwischen der Kürze von Twittermeldungen bis hin zur Länge von Kurzgeschichten, mit sich wiederholenden Themen und wiederkehrenden Figuren. Zu Beginn knüpft Sargnagel an ihre 2013 und 2014 erschienenen Callcenter-Monologe an und emanzipiert sich gleichzeitig von ihnen. Es sind ihre letzten Tage dort, denn sie hat ihren Nebenjob bereits gekündigt und versucht sich, zwischen Existenzängsten und Größenwahn schwankend, als Autorin zu etablieren: „Ich habe jetzt eine Künstlersozialversicherung. Das heißt, ich lebe ganz offiziell in der Welt der Phantasie.“

Auf Lesereise durch Deutschland lässt sie ihre Leser an scharfsinnig-sarkastischen Beobachtungen teilhaben, die immer auch einen Kern Wahrheit enthalten. Sargnagel beschreibt Berlin so, als hätte man als Jugendlicher eine Woche sturmfrei zu Hause, was zunächst cool sei, nach einem Monat würde man jedoch sterben. Hannover wiederum wirke, als hätte dort jeder sein Leben im Griff. Die Frau, die Äpfel und Nüsse aus einer Tupperdose isst, sieht sie als „dieses Alnatura-Deutschland.“ In den Beschreibungen ihrer Airbnb-Gastgeber kokettiert sie mit dem Horror-Genre.

Einer der vielen thematischen roten Fäden, die sich durch Statusmeldungen schlängeln, ist der Feminismus und die Gründung der feministischen Burschenschaft „Hysteria“, die sich auch schon über die Grenzen Wiens einen Namen gemacht hat, als von den Mitgliedern das Patriarchat in einem Festzug zu Grabe getragen wurde. Es geht außerdem darum, dass für Frauen „in Würde altern“ bedeutet, unsichtbar zu werden, darum, warum dicke Frauen in der Öffentlichkeit immer Äpfel und keine Schokolade essen und warum sie selbst, obwohl sie absichtlich genau das Gegenteil macht, sich damit denselben Gesetzen unterwirft. Natürlich schreibt sie auch über alltägliche Begegnungen mit dem anderen Geschlecht: „Schmieriger Taxler: ‚Na, Sie sind eine fesche Frau.‘/ Ich: ‚Sie sind aber auch ein sehr fescher Mann!‘/ Schmieriger Taxler lächelt und schaut verlegen zu Boden.“

Wir begleiten Sargnagel in ihr Lieblings-Kaffeehaus Weidinger, ins Einkaufszentrum Lugner City (von dem sie besessen zu sein scheint) und trauern mit ihr darüber, dass der Supermarkt in der Nachbarschaft geschlossen wird. „Meine Gegend wird immer hässlicher, niemand will sie genftisieren [sic].“ Sie berichtet von ihren Plänen für das anarchistische Sommercamp, eine Identitären-Soap, schreibt dadaistisch anmutende Gedichte und darüber, dass man sein Publikum verachten sollte. Am Ende verabschiedet sie sich mit einem kraftvollen Statement gegenüber ihren Hatern – selbstverständlich im typischen Sargnagel-Stil.

Facebook-Literatur ist eigentlich nur die Tagebuchliteratur der Digital Natives. Durch die Wahl des Mediums hält sie jedoch auch der künstlichen Social-Media-Welt einen Spiegel vor und ist gleichzeitig eine Stimme ihrer Generation. Durch ihre skurrilen, derben und teilweise vulgären Geschichten parodiert sie durch Authentizität die gestellten Fotos und Erlebnisse in den sozialen Medien. In Zeiten nachlassender Aufmerksamkeitsspannen sind Facebook und diese kurze Form des Erzählens sicher gute Mittel um gehört zu werden, wenn man etwas zu sagen hat. Davon mag man halten, was man möchte, aber Sargnagel hat viel zu sagen. Ihre Gedanken, die sie teilweise wie einen Bewusstseinsstrom präsentiert, sind pointiert, sozialkritisch und ironisch gebrochen. Das nächste Buch wird sicher nicht lange auf sich warten lassen.

Titelbild

Stefanie Sargnagel: Statusmeldungen.
Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 2017.
303 Seiten, 19,95 EUR.
ISBN-13: 9783498064440

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch