Der Zeit voraus

Markus Häberlein beleuchtet in „Aufbruch ins globale Zeitalter“ die Rolle der süddeutschen Handelshäuser Fugger und Welser für die Entwicklung des Fernhandels

Von Sebastian MeißnerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Sebastian Meißner

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Die Internationalisierung des Handels, der Kapital- sowie der Produkt- und Dienstleistungsmärkte nennen wir Globalisierung. Motor dieser Entwicklung sind das Internet und die Beschleunigung der Finanzströme, ihre Hauptakteure sind multinationale Unternehmen. Der Begriff fand erst Ende des letzten Jahrhunderts Eingang in die Wissenschafts- und Alltagssprache.

Auch wenn das Tempo zugenommen hat, die Folgen drastischer sind: Grenzüberschreitendes Handeln hat es bereits in der Antike und im Mittelalter gegeben. Peter Häberlein, Historiker für Neuere Geschichte an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg, zeigt dies anschaulich anhand der der mittelalterlich-neuzeitlichen Handelsimperien der Fugger und Welser – zwei der bedeutendsten Handelshäuser des 16. Jahrhunderts. Beide stammte aus Augsburg und machten sich – in einer Zeit, in der sich für den europäischen Fernhandel durch die Expansion der Portugiesen nach Asien und die spanischen Eroberungen in Amerika neue Perspektiven eröffneten – schnell einen guten Namen mit ihrem Angebot. Für den europäischen Asienhandel stellten sie Kupfer und Silber bereit. Umgekehrt brachten sie asiatische Gewürze nach Europa und handelten mit amerikanischen Perlen und indischen Diamanten. Häberlein geht es nicht darum, die Fugger und Welser als „global player“ im heutigen Sinne darzustellen. Gleich zu Beginn seines Buches stellt er dies klar, wenn er die Nicht-Vergleichbarkeit der wirtschaftlichen Voraussetzungen betont. Grund dafür sind die deutlich geringere Reichweite, Intensität und Komplexität der spätmittelalterlich-frühneuzeitlichen Verflechtungsprozesse. Vielmehr handele es sich im Falle der Augsburger Unternehmer um eine Art „vormoderne Proto-Globalisierung“.

Am Globalisierungsbegriff sollte man sich aber eh nicht allzu sehr festbeißen. Die aufmerksam und detailreich aufbereitete Erzählung, für die der Autor sich neuer Quellen, etwa rund 40 Rechnungsbücher der Welser-Gesellschaft aus dem Zeitraum von 1498 bis 1550, bediente, vereint Faktenreichtum mit Unterhaltungswert. Häberlein skizziert den Aufstieg beider Handelsfamilien. Er analysiert die damaligen Märkte, zeigt die Netzwerke und Handelsbeziehungen und stellt Gemeinsamkeiten und Unterschiede beider Imperien heraus. Dabei wird aufgezeigt, wie die vormoderne Globalisierung voranschritt. Güter, die ehemals unbekannt oder exotisch waren, eroberten die heimischen Märkte. Anhand von Daten aus zahlreichen Quellen analysiert der Autor die wichtige Rolle, die die Fugger und Welser dabei spielten. Bei allem zeigt sich Häberlein als Kenner der Materie, bleibt aber angenehm auf Distanz. So spart er etwa auch die dunklen Kapitel über Sklavenhandel und Sklaverei nicht aus. Auch die von einigen Forschern behauptete Rolle der Fugger und Welser als herausragende Akteure der Globalisierung streitet Häberlein ab und bezeichnet sie als „maßlos übertrieben“.

Problematisch wird es immer dann, wenn Umsatz-, Kredit- und Gewinnzahlen aufgeführt werden. Diese geben zwar einen Eindruck vom Umfang der Geschäftstätigkeit der beiden Handelshäuser, bleiben wegen der Nichtvergleichbarkeit der verschiedenen Währungen aber oft aussageschwach. Inwieweit sie den jeweiligen Gesamtmarkt ausmachten, bleiben zudem meist vage.

Den positiven Gesamteindruck kann das aber nicht mindern. Und so ist „Aufbruch ins globale Zeitalter“ eine spannende Globalisierungsgeschichte, die sich trotz aller Datendichte mitunter liest wie ein historischer Roman. Einzelne Abbildungen – historische Karten, Porträts und Zeichnungen – lockern den Lesefluss auf und helfen bei der Orientierung.

Ein Beitrag aus der Mittelalter-Redaktion der Universität Marburg

Titelbild

Mark Häberlein: Aufbruch ins globale Zeitalter. Die Handelswelt der Fugger und Welser.
Konrad Theiss Verlag, Stuttgart 2016.
256 Seiten, 24,95 EUR.
ISBN-13: 9783806233421

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