Neutrale Perspektiven

Zadie Smiths neuer Roman präsentiert sich als Mosaik verschiedenster Eindrücke der Schönheit

Von Sarah WeissRSS-Newsfeed neuer Artikel von Sarah Weiss

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Nach Zadie Smiths erstem Romanerfolg "Zähne zeigen", erscheint jetzt ihr neuer Roman "Von der Schönheit". Wie schon im ersten Buch, mischt Smith wieder verschiedene Erzählperspektiven und zeichnet so ein eindrucksvolles, ausführliches und breites Bild der amerikanischen Gesellschaft.

Hauptpersonen des Romans sind die Mitglieder der Familie von Howard Belsey. Seine schwarze Frau, seine beiden unterschiedlichen Söhne sowie die Tochter. Sein Gegenspieler: Sir Monty Kipps. Beide sind Rembrandt-Experten und Universitätsprofessoren - und vertreten natürlich ganz unterschiedliche Weltansichten. Da sind Konflikte vorprogrammiert. Denn Howards Sohn Jerome verliebt sich Hals über Kopf in Montys Tochter und schlimmer noch: Er möchte sie sogar heiraten. Als Monty auch noch an die selbe Universität berufen wird, eskaliert die Situation. Nicht nur, dass Montys Familie in die gleiche Nachbarschaft zieht, Kiki, Howards Frau, freundet sich auch noch mit Montys Frau an. Howards Welt gerät ins Wanken.

Doch nicht nur die unterschiedlichen Anschauungen und Standpunkte sind Teil der Geschichte. Geschickt mischt Zadie Smith verschiedene Genres: Familiengeschichte, Campus-Roman, Liebesgeschichte und Bildungsroman - all das finden wir hier gekonnt zu einem neuen Ganzen verbunden. Kiki hat mit der Affäre von Howard zu einer jüngeren, weißen Arbeitskollegin zu kämpfen. Howard folglich mit Kiki, die ihn einfach links liegen lässt. Wir erleben Kikis Gedanken und Gefühle, als sie entdeckt, dass Howard sie mit Claire betrogen hat. Doch wie könnte es anders sein, auch Claires Überlegungen und Probleme werden uns nicht vorenthalten. So entsteht ein umfassendes Bild aller Ansichten.

Gleichzeitig präsentiert uns die Autorin so verschiedene Blickwinkel auf die Schönheit. Sei es die körperliche, menschliche Schönheit, um die sich die Affäre Howards dreht. Oder die kulturelle Schönheit, wie die Kunst und die Musik. Und nicht nur die klassischen schönen Künste werden uns vorgestellt, sondern auch die moderne Kunst wie Rap und Hip-Hop - all das kann die menschliche Natur, das Leben und die Schönheit darstellen. Der Roman wirkt dabei jedoch nie belehrend, sondern stellt die verschiedenen Perspektiven und Ansichten neutral nebeneinander. Genauso wie der Erzähler der Geschichte auch die Figuren nicht verurteilt. Es sind die Charaktere selbst, die diese Urteile vornehmen. So wie Kiki natürlich Howard und Claire für die Affäre verurteilt.

Auch mischen sich verschiedene Erzählperspektiven: Zu Beginn präsentiert uns der Erzähler erst einmal E-Mails, die Jerome aus England an seinen Vater schreibt. Oder wir folgen Kikis Gedanken über ihre Ehe und ihre Freundschaft zu Monty Kipps Frau. Zusätzlich begleitet uns der Erzähler durch die beschriebene Welt, der sich mit Wertungen allerdings weitgehend zurückhält.

Das Schönste jedoch: Die Menschlichkeit des Romans! Und die menschliche Fehlbarkeit. Sei es Howard, der wutentbrannt nach England reist, um die Hochzeit seines Sohnes mit Kipps Tochter zu verhindern. Doch als er eintrifft und seinen Sohn zur Rede stellen will, ist die Hochzeit schon lange abgeblasen. Oder die drei Geschwister Belsey treffen sich rein zufällig auf der Straße und kommen sich dabei doch näher als je zuvor. Dadurch entsteht ein wunderschönes Buch über Freundschaft, Liebe und Familie. Und die Schönheit - nicht zu vergessen.

Manche Beschreibungen sind vielleicht ein wenig lang geraten, so wie die Beschreibung aller Familienfotos, die im Haus der Belseys hängen. Ein wunderschöner, anspruchsvoller Schmöker!


Titelbild

Zadie Smith: Von der Schönheit. Roman.
Übersetzt aus dem Englischen von Marcus Ingendaay.
Kiepenheuer & Witsch, Köln 2006.
518 Seiten, 22,90 EUR.
ISBN-10: 3462037161

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