John Lee Hooker featuring Friedrich Nietzsche

Kolumnen des Musikjournalisten Roel Bentz van den Berg

Von Torsten GellnerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Torsten Gellner

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

"Stellen Sie mir keine Fragen über Musik, von Musik habe ich keine Ahnung". Ein etwas merkwürdiges Bekenntnis als Einstieg in ein Buch, das doch im wesentlichen von der Musik, namentlich der Rock- und Popmusik handelt. Geschrieben obendrein von einem Autor, der von, nein, vielmehr in der Musik lebt. Roel Bentz van den Berg, niederländischer Musikjournalist, ist im wahrsten Sinne des Wortes ein Pop-Junkie, der es sich seit seinem ersten Kontakt mit dem Rock 'n' Roll zum Auftrag gemacht hat, "keinen allzu großen Verrat an der Kraft, dem Mysterium, den Werten" dieser Musik zu üben.

Die Kraft und das Mysterium der Popmusik in Worte zu fassen - ist das nicht die Quadratur des Kreises? Doch nichts Geringeres versucht Berg in seinem Buch "Die Luftgitarre", das mehr als 30 Kolumnen über Popsongs von David Bowie bis Neil Young, von den Searchers über Marvin Gaye bis ZZ Top umfasst. Es ist eine ungewöhnliche Zusammenstellung, die ein klares Konzept vermissen lässt, die aber auch nicht den Anspruch erhebt, einen "verkappten Querschnitt durch die Geschichte der Popmusik" darzustellen.

So ist die "Luftgitarre" auch keine Enzyklopädie oder Chronik nach dem Motto: "zuerst war der Blues und dann kam Elvis", sondern eine willkürliche Auswahl höchst subjektiver Interpretationen mehr oder weniger bekannter Songs - eine Art Lesebuch der Popmusik eben.

Was Berg mit den Stücken assoziiert - die Geschichten und Ideen, die sozusagen als Videoclip in seinem Kopf entstehen - ist phantasievoll, verrückt, tragisch und sentimental. Es handelt sich nicht um Plattenkritiken im herkömmlichen Sinn, vielmehr um originelle und in plastischer Sprache verfasste Meditationen. Man erfährt wenig über die Songs und ihre Interpreten, viel dagegen über die Emotionen und Sichtweisen des Autors. Aber hierfür entschuldigt er sich gleich zu Anfang, wenn er klar stellt, dass für ihn "die persönliche Deutung im Vordergrund steh[e], nicht die Analyse".

Leider kommt dabei kaum eine Kolumne ohne bedeutungsschwangere Analogie aus der Schatzkiste seiner philosophischen Bildung aus, und es dürfte auf den gemeinen Musikkonsumenten doch eher befremdlich wirken, wenn die Blues-Legende John Lee Hooker als Assoziationsimpuls für ein Nietzsche-Zitat herhalten muss oder die Bedeutung eines David Bowie-Stücks mit einem oberlehrerhaften Kafka-Verweis unterstrichen wird. Verbirgt sich dahinter nicht vielleicht der Versuch, die Liebe zur eigentlich trivialen Popmusik - Pop ist trivial, sonst wäre es kein Pop - mit dem eindrucksvollen Vorrat an scheinbar selbstverständlichen Querverbindungen zur "hohen Kultur" zu legitimieren? Oder haben wir bislang nur nicht genau hingehört?

Berg vergleicht sein Schreiben über Musik mit dem vor allem von Heavy-Metal-Konzerten bekannten "Luftgitarre spielen". Das bedeutet, seine von der Musik ausgelösten Emotionen durch das Spielen eines imaginären Instruments von Innen nach Außen zu verlagern. Genau dies versucht der Autor in seinen Kolumnen: Anderen zugänglich machen, was ihn beim Hören seiner Lieblingsstücke bewegt, was ihm durch den Kopf geht. So außergewöhnlich sein Spiel auch sein mag, es gelingt ihm nicht immer. Es kann ihm gar nicht gelingen, denn: Wer Luftgitarre spielt, tut dies nicht für die anderen, sondern nur für sich allein.

Titelbild

Roel Bentz van den Berg: Luftgitarren.
Suhrkamp Verlag, Frankfurt a. M. 1999.
180 Seiten, 9,10 EUR.
ISBN-10: 3518121065

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