Maximum Girl

Eckhard Pabsts Sammelband über James Camerons Film-Universum

Von Rolf LöchelRSS-Newsfeed neuer Artikel von Rolf Löchel

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Starke Frauencharaktere sind in US-amerikanischen Spielfilmen und Fernsehserien schon lange keine Seltenheit mehr. Buffy Summers etwa geht in Sunnydale auf DämonInnenjagd, die Schwestern Halliwell hexen in San Francisco, was das Zeug hält, und Max Guevara schlägt sich auf der Suche nach ihren 'Geschwistern' durch ein postapokalytisches Seattle. Letztere, eine Kreation James Camerons, zu dessen Werk der seit einigen Jahren als freier Lektor für das ZDF tätige Literatur- und Medienwissenschaftler Eckhard Pabsts kürzlich einen Sammelband vorgelegt hat. Nun betont Pabst zwar, seine Publikation beanspruche nicht, Camerons Œuvre "in Gänze" zu erfassen - wie auch?!, möchte man einwerfen - doch sticht die weitgehende Absenz der Serie "Dark Angel" mit ihrer Protagonistin Max schon ins Auge.

Die von Kai U. Jürgens vorgebrachte Begründung, die Serie könne nicht als "reguläre Cameron-Arbeit" gelten, da Cameron nicht "sowohl das Buch als auch die Regie" übernommen habe, ist nicht triftig. Denn gleiches trifft auch auf den Spielfilm "Piranha Part Two - The Spawning" zu, der vom Herausgeber dennoch mit einem eigenen Beitrag gewürdigt wird. Immerhin aber gönnt Jürgens der Serie und ihrer Protagonistin einen kleinen Abschnitt seines dem Zusammenhang von weiblicher Emanzipation und Mutterschaft in Camerons Werk gewidmeten Beitrags.

Dass die kinderlose Max hier nicht im Zentrum steht, ist zwar verständlich. Nicht überzeugend ist jedoch, was Jürgens auf kaum mehr als einer Seite über sie ausführt. Mag man noch darüber diskutieren, dass "Dark Angel" "weit hinter das Niveau" von Camerons "übrigen Filmen" zurückfalle und "in punkto Frauenbild nur zaghaft neue Ansätze" entwickele, so übersieht der Vorwurf, die titelstiftende Figur sei "rein charakterlich statisch", dass Max zunächst zwar eine Einzelgängerin ist, die sich mit einem kleinen Job und nächtlichen Raubzügen durchschlägt und keinerlei Ambitionen hat, an der katastrophalen Situation ihrer postapokalyptischen Welt etwas zu ändern. Aber in den nur zwei Seasons entwickelt sie sich immerhin zu einer Person, die nicht nur um das Wohl und Wehe ihrer genetisch veränderten Mitmenschen besorgt ist, sondern schließlich sogar mit ihnen zusammen die "Freak Nation" gründet. Auch ist Max kein "maskuliner Vorname", sondern - wie etwa auch Toni - durchaus für beide Geschlechter üblich. Zudem ist diese Lesart nur schwerlich mit Camerons Begründung für die Wahl dieses Namens in Einklang zu bringen: "Max is short for 'maximum' - she's the maximum girl."

Nicht alle Beiträge des vorliegenden Bandes richten ihren Fokus auf bestimmte Themen, die Camerons Werk durchziehen. Diese Ausrichtung ist vielmehr den Beiträgen des zweiten Teils vorbehalten. Die Aufsätze des ersten nehmen hingegen jeweils einzelne Filme in den Blick. Hans Heydebreck etwa "The Abyss", Daniela Langer "True Lies" und Ulrich Bär im Doppelpack "The Terminator" und "Terminator 2: Judgement Day".

Die den Einzelanalysen der Werke vorangestellten Inhaltsangaben der Filme fallen regelmäßig allzu umfangreich und detailfreudig, gelegentlich fast schon geschwätzig aus. Da einige der Inhalte in den Arbeiten des zweiten Teils erneut referiert werden, kommt es zudem zu ermüdenden Redundanzen. Die Analysen in beiden Teilen sind hingegen meist überzeugend, wenn auch nicht immer neu. So kann man zwar wenig gegen die von Kai U. Jürgens vorgelegte Interpretation der Frauen- und Mütterbilder in "Aliens" (im ersten Teil des Buches) einwenden. Innovativ ist sie allerdings kaum. Und sie wird es auch nicht dadurch, dass er sie in ihren Grundzüge in seinem zweiten Beitrag (im zweiten Teil) noch einmal wiederholt.

Bei anderen AutorInnen schleichen sich ungeachtet einer insgesamt plausiblen Argumentationsweise hier und da Fehler ein, die zwar nicht gravierend, aber dennoch ärgerlich sind. So versucht Britta Madeleine Woitschig, etwa anhand eines von ihr selbst übersetzten Drehbuch-Zitates zu zeigen, dass Cameron sich in den Weiten des Weltalls so gut auskennt, dass er in seine Drehbücher sogar "kleine Lektion[en] in Astronomie" einfügt, beispielsweise dass "Alpha Centauri [...] die Galaxie [ist], die mit 4,5 Lichtjahren der Erde am nächsten ist". Tatsächlich handelt es sich bei Alpha Centauri jedoch nicht um eine fremde Galaxis, sondern um die dem heimischen Sonnensystem am nächsten gelegene Sonne.

Ebenso wie Jürgens und Langer ist auch der Herausgeber selbst mit zwei Beiträgen vertreten. Zunächst widmet er sich den "Anfängen" des "Filmemacher[s]" James Cameron und zeigt, dass bereits sein Erstlingswerk, ein zwölfminütiges Fragment mit dem Titel "Xenogenesis", "formal und inhaltlich ins Zentrum des Cameronschen Universums führt". Dies werfe die "kritische Frage" auf, "inwieweit sich Cameron nach diesem ersten Film eigentlich weiterentwickelt hat". Weit weniger erhellend als Pabsts Ausführungen zu diesem auch in der Forschung weithin unbekannten Filmschnipsel ist sein zweiter Beitrag (über "Piranha Part Two"), gefällt er sich hier doch allzu sehr darin, "berühmte Anekdote[n]" zum Besten zu geben.

Abschließend ist noch einmal auf den bislang vor allem gescholtenen Kai U. Jürgens zurückzukommen. Es bei dieser Schelte zu belassen, wäre nämlich mehr als ungerecht. Schließlich ist seine Analyse der Mutterschaft und deren Verschränkungen mit den emanzipatorischen Entwicklungen von Camerons Frauenfiguren, die nicht als Heldinnen zur Welt kommen, sondern sich "in einem schmerzhaften Emanzipationsprozess von falschen Eigen- und Fremdbildern lösen" müssen, durchaus erhellend. Und auch für "Dark Angel" hat Jürgens letztlich ein positives Wort: "Trotz aller Plakativität erweisen sich die Charaktere [der Serie] als glaubwürdig und überzeugend, woran der fast in jedem Film thematisierte Emanzipationsprozess maßgeblichen Anteil hat."


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Eckhard Pabst (Hg.): Mythen - Mütter - Maschinen. Das Universum des James Cameron.
Verlag Ludwig, Kiel 2005.
320 Seiten, 24,90 EUR.
ISBN-10: 3933598710

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