Sehen statt verstehen

Ein Ausstellungskatalog zu frühneuzeitlichen Enzyklopädien

Von Christoph Schmitt-MaaßRSS-Newsfeed neuer Artikel von Christoph Schmitt-Maaß

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Konzepte von Multimedialität werden heutzutage in erster Linie mit dem Internet in Verbindung gebracht - bereits in der Frühen Neuzeit gab es jedoch Ansätze, die eine multimediale Vermittlung von Wissen versuchten: die Enzyklopädien. Ihre Besonderheit lag in der bildlichen Vermittlung von Wissen, in der parallelen Präsentation von Text und Bild. Diesen Vermittlungsgedanken verfolgte eine bis November 2006 gezeigte Ausstellung der Universitätsbibliothek Leipzig, die neben eigenen Beständen Leihgaben aus der Wolfenbütteler Herzog-August-Bibliothek präsentierte. Der Schwerpunkt der Ausstellung lag bei Exponaten aus dem 17. und 18. Jahrhundert, aber auch ältere Werke wurden präsentiert. Einen beachtlichen visuellen Eindruck von den frühneuzeitlichen Enzyklopädien vermittelt der Ausstellungskatalog mit hervorragend reproduzierten Abbildungen. Untergliedert ist der Band in die Gebiete der Enzyklopädik: die häusliche Welt, die Welt der Technik, der Heilkräuter und Pflanzen und andere. Eine Reflexion über die Medialität der Enzyklopädien schließt den Katalog ab.

Gegenüber den ausgezeichneten Abbildungen ist der Textteil des Bands eher mäßig informativ geraten. Die zwischen die einzelnen Teile eingeschobenen Texte verlieren sich in nebulösen Formulierungen, die den Gegenstand weniger sachlich erfassend darstellen, als vielmehr eine Mystifizierung frühneuzeitlicher Wissenswelten betreiben. Die scheinbare Nähe von Enzyklopädie und World Wide Web wird eher heraufbeschworen denn schlüssig dargelegt.

Bereits Ulrich Johannes Schneiders einleitende Worte zeigen die Lücken des Katalog- wie des Ausstellungskonzepts: trotz der beeindruckenden Leipziger und Wolfenbütteler Bestände klaffen Lücken, die schweigend hingenommen werden. Die in der Einleitung aufgeworfenen Fragen nach Orientierungsleistung, Wissensspeicherung und Benutzbarkeit sollen zwar eine Orientierung ermöglichen, führen aber letztlich zu einer Erschöpfung im Detail.

Die einzelnen Beiträge fallen teilweise hinter andere Publikationen zurück. Bei den zusammengestellten Exponaten handelt es sich keineswegs durchgehend um Enzyklopädien (eine Definition verweigert Schreiber ohnehin), sondern oftmals Lexika präsentiert und gewürdigt werden - also Bücher, die einen in sich abgeschlossenen Themenbereich präsentieren und gelegentlich auf Bildbeigaben verzichten.

Einzig zwei Aufsätze zu spezifizierten Fragestellungen vermögen in Ausrichtung und Klarheit zu befriedigen: Detlef Dörings Aufarbeitung der Bedeutung Leipzigs als Produktionsort enzyklopädischer Literatur sowie Steffen Siegels Abschlussbeitrag zu den Medien der Enzyklopädie. Das Ergebnis dieser Zusammentragung von Bildmaterial wie Wissen über Enzyklopädien ist also bescheiden. Der Befriedigung des Sehsinns tut dies aber keinen Abbruch.


Titelbild

Ulrich Johannes Schneider (Hg.): Seine Welt Wissen. Enzyklopädien in der frühen Neuzeit.
Primus Verlag, Darmstadt 2006.
240 Seiten, 29,90 EUR.
ISBN-10: 3896785605

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