Beat Suters Hyperliterarisches Lesebuch - eine Premiere

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Anfangs des Jahres 1999 veranstaltete das Migros-Kulturprozent ein Symposium mit 30 Cyberliteraten und wissenschaftlichen Spezialisten der neuen Literatur der Hyperfictions aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. Sie alle pilgerten, hochtechnisch ausgerüstet mit Powerbooks, Notebooks und CD-Roms, ins Kloster von Romainmôtier im Waadtländer Jura nahe dem Genfer See, um in der ältesten Klosteranlage der Schweiz, noch aus der Zeit des Abtes Odilo von Cluny (994-1049) stammend, erstmals den digitalen Diskurs zwischen Theoretikern und Praktikern auch von Angesicht zu Angesicht zu führen.

Als Ergebnis des Symposiums - allerdings ergänzt und erweitert durch zahlreiche zusätzliche Texte - ist ein hyperliterarisches Lesebuch mit integrierter CD-ROM entstanden, das erstmals in deutscher Sprache eine repräsentative Zusammenstellung hyperfiktionaler literarischer Texte enthält. Die Publikation, die von einer Arbeitsgruppe des Deutschen Seminars der Universität Zürich erarbeitet wurde, verbindet werkstattmässig Theorie und Praxis, Essays von wissenschaftlichen Kennern der Materie und persönliche Erfahrungsberichte von Hyperfiction-Autorinnen und -Autoren, die oftmals auch ein großes theoretisches Interesse zeigen. Der Mischcharakter der Beiträge war beim Symposium in Romainmôtier ein entscheidender Erfolgsfaktor und half, die teils sehr unterschiedlichen Interessen und Sichtweisen auf ein junges Phänomen zum Ausdruck zu bringen. Dabei hat der genius loci des Klosters und der atéliers de recherches et création (arc), dem Kulturzentrum des Migros-Kuturprozents, nicht nur Gesprächintensität und Denkkonzentration gefördert, sondern auch auf inhaltliche Überlegungen durchgeschlagen und zu fruchtbaren Gedankenverknüpfungen geführt.

Das hyperliterarische Lesebuch wartet - wie es sich für ein "Lesebuch" geziemt - mit einer möglichst umfassenden wie auch repräsentativen Auswahl an Texten und Projekten auf. Das Buch enthält 12 theoretische Essays und Erfahrungsberichte. Die CD-ROM bietet 24 ausgewählte Hyperfictions, die gemächlich offline entdeckt werden können. Darunter sind so weitausgreifende Werke wie das von Martina Kieninger initiierte "tanGo"-Projekt, das 46 Texte von 14 Autorinnen und Autoren (inklusive Übersetzern) - unter anderen auch Reinhard Döhl und Johannes Auer - aus verschiedenen Ländern vereint.

Titelbild

Michael Böhler / Beat Suter (Hg.): HyperFiction. Zum digitalen Diskurs über Internet und Literatur. Mit CD-ROM.
Stroemfeld Verlag, Frankfurt 1999.
19,40 EUR.
ISBN-10: 386109150X

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