Frohe Botschaft vom Merkur

Grethe Nestors Handbuch für Badgirlfeministinnen und solche, die es werden wollen

Von Rolf LöchelRSS-Newsfeed neuer Artikel von Rolf Löchel

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Männer sind vom Mars, Frauen von der Venus? Barer Unsinn, wie man weiß. Aber Feministinnen, die sind vom Merkur! Das zumindest behauptet Grethe Nestor. Und wie sie zeigt, ist diese Idee zwar überraschend, aber gar nicht so abwegig. Schließlich steht der göttliche Namenspatron des besagten Planeten für Intellektualität, Kommunikation, Beweglichkeit - und den Sinn für Humor. Zudem lässt sich sein Symbol, ein Venusspiegel mit aufgesetztem Halbkreis, "mit ein wenig Phantasie" als Frauensymbol mit (Teufels-)Hörnchen deuten. Und das sei doch "endlich ein passendes Symbol für die dritte Phase der Frauenbewegung". So prangt es denn auch auf dem Umschlag ihres "Handbuch[s] für Frauen, die sich munitionieren wollen". Sigrid Engeler hat das Buch für die deutsche Ausgabe übersetzt und um Beispiele aus Deutschland erweitert.

Unter dem Titel "Die Badgirlfeministin" bietet der Band ein munteres Kompendium mit praktischen Tipps für den kämpferischen Alltag im Patriarchat, empfiehlt Romane, Filme sowie feministische Sachbücher und macht auf unterhaltsame Weise mit den diversen Feminismen aus Vergangenheit und Gegenwart ebenso vertraut wie es über Denken und Wesen der nicht minder zahlreichen Bindestrich-Feministinnen aufklärt, als da wären: die "Alt-Feministin", die "Gebärmutter-Feministin", die "Gucci-Feministin", die "Boulevardzeitungs-Feministin" die "Ninja-Feministin", die "Post-Feministin" und - ja, natürlich, die "Badgirl-Feministin". Am Ende des Buches kann frau mittels eines Tests (der Schummeln ausdrücklich verbietet!), herausfinden, zu welcher Kategorie sich die Leserin (oder wie im Falle des Rezensenten, der Leser) selbst rechnen kann. Zuvor bietet das Buch jedoch schon mal jeweils zehn "Anhaltspunkte" und "Hinweise" ob frau sich überhaupt Feministin nennen darf, beziehungsweise, ob sie "wahrscheinlich eher keine" ist.

Weiter wartet das Handbuch mit einem "Feministinnentrinkspiel" auf, mit zehn der dümmsten Männersprüche (etwa einem von Baudelaire, der Frauen mit öffentlichen Toiletten verglich), mit "wichtige[n] Jahreszahlen", einer kurzen Erörterung der Pornografie und was Frau von ihr zu halten hat, mit "Tabuwörtern", einem "feministischen Wörterbuch", einer Erklärung dafür, warum es kaum Feministinnenwitze gibt, Erläuterungen zu "männlichen Herrschaftstechniken", einem Ranking der 10 schlimmsten Desaster der 'Schönheits'chirurgie, einigen Bemerkungen über "Stilfragen zum Schamhaar" und tausend "Definitionen, Zahlen und nüchternen Fakten". Ein Buch also, das informiert, unterhält, aufklärt, das lustig ist und ernst und überhaupt auf vielfältige Weise interessant.

Ein Buch also zum lesen, blättern, nachschlagen, sich informieren und immer wieder zum schmökern - und natürlich auch ein Buch, das hier und da zum Widerspruch reizt. Denn niemand wird mit allem einverstanden sein, was dort zu lesen ist. Das tut dem Wert des Buches aber keinerlei Abbruch. Der Rezensent schätzt es darum nur umso mehr und widerspricht deshalb einer Behauptung der Autorin mit größtem Nachdruck: "Für Chauvinisten, für Anti-Feministinnen, für fundamentalistische Christen, für Rechtskonservative, Linksmoralische oder überzeugte Gebärmutter-Feministinnen", so Nestor, sei das Handbuch "eher nicht das richtige". Aber wieso denn? Sie werden zwar vermutlich wenig Freude daran haben, aber schaden könnte ihnen die Lektüre sicher nicht.


Titelbild

Grethe Nestor: Die Badgirl Feministin. Ein Handbuch für Frauen, die sich munitionieren wollen.
Übersetzt aus dem Norwegischen von Sigrid Engeler.
dtv Verlag, München 2006.
213 Seiten, 12,00 EUR.
ISBN-10: 342324576X

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