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F. K. Waechters, Robert Gernhardts und F. W. Bernsteins "tönender Sexreport" "Im Wunderland der Triebe" hat leider keinen zeitlosen Humor

Von Jule D. KörberRSS-Newsfeed neuer Artikel von Jule D. Körber

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Es war das Jahr 1968, man(n) stand und wartete. Die politische Umwälzung hielt Händchen mit der sexuellen Revolution und wollte doch so viel mehr.

Da kamen die drei von humoristischer Potenz nur so strotzenden Pardon- Redakteure Robert Gernhardt, F. K. Waechter und F. W. Bernstein - weder zu früh noch zu spät - und "beömmelten" sich hörbar "über die bürgerliche Hoppelmoral", wie es im Booklet heißt. Mit der Pardon-Schallplatte Nr. 2 "Im Wunderland der Triebe" ritten sie auf der Aufklärungswelle der Zeit mit und erzählten ihren lustleidenden Hörern "Was Sie schon immer über Sex wissen wollten, aber bisher nicht zu fragen wagten" - Jahre vor Woody Allen und auch noch bevor Regisseur und Autor Oswalt Kolle in Deutschland Liebe zum Gesellschaftsspiel erklärte. So verkündet der "spiritus erector" des Projekts, Robert Gernhardt, stolz im Booklet der Hör-CD: "Wir aber dürfen sagen, wir waren die ersten! 1968 bereits beschrieben wir Erektion und Befruchtung".

Die Pardon-Schallplatte der drei damals noch jungen Herren der "Neuen Frankfurter Schule" als Hör-CD neu aufzulegen, entspricht dem Trend, die vor nicht allzu langer Zeit verstorbenen Gernhardt und Waechter zu ehren - und ist absolut angebracht. Aber auch wenn viele Seiten ihres Schaffens heute noch so witzig sind wie damals, ist nicht all ihr einstiger Humor zeitlos.

"Im Wunderland der Triebe" ist ein Zeugnis und Kind seiner Zeit. So wird in der Einführung der CD darauf verwiesen, dass diese nur für Ehepaare bestimmt ist und Minderjährige den Raum zu verlassen haben. Als Running-Gag dringt aber immer wieder ein Jugendlicher ein und will mithören. Das ist für heutige Humorgewohnheiten platt und erwartbar. Bei dem darauf folgenden Pseudo-Lauschen an den Schlafzimmertüren anderer Kulturen und den gestellten Straßeninterviews über das Sexualwissen der Deutschen wird die Lust auf überraschenden Humor leider auch nicht befriedigt. Die Einblicke in die körperlichen Vorgänge des Sexualvorgangs erinnern den Hörer an die Biologiezeichentricksendung "Es war einmal das Leben" aus den Neunzigern und stehen deswegen heute in einem völlig anderen Kontext. Da hilft es auch nicht, dass die Spermatozoen Dialekt sprechen - "Im Wunderland der Triebe" klingt für den Jetztzeit-Hörer einfach nur putzig, aber nicht mehr lustig.

Da befriedigt es auch nicht, wenn der flotte Autoren-Dreier als Höhepunkt der Platte "erotische" Tiergedichte zu der Melodie von "Das Wandern ist des Müllers Lust" singt.

So erregt die Hörspiel-Dokufiktion "Im Wunderland der Triebe" leider nur Nostalgiker und Pardon-Fans.


Titelbild

Robert Gernhardt / Friedrich Karl Waechter / F. W. Bernstein: Im Wunderland der Triebe. Ein tönender Sexreport von Robert Gernhardt, F.K. Waechter und F.W. Bernstein. CD.
Verlag Antje Kunstmann, München 2006.
48 min., 14,90 EUR.
ISBN-10: 3888974410

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