Kein faszinierender Faszanatas

Selbst autorfreundliche Analysekriterien können Helge Schneiders neues Buch "Die Memoiren des Rodriguez Faszanatas" nicht retten

Von Stephan SonntagRSS-Newsfeed neuer Artikel von Stephan Sonntag

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Eines vorweg: Eine Rezension über ein literarisches Werk von Helge Schneider zu schreiben, ist schlechterdings nicht möglich. Das Rüstzeug des Literaturkritikers taugt nicht zur Ergründung der Qualität des Buches. Die Erkenntnisse würden sich wie folgt lesen: Inhaltlich gehaltlos, formal grundschülerhaft, stilistisch grauenvoll. Kurzum ein Machwerk, das besser nie veröffentlicht und noch besser nie geschrieben worden wäre. Eine solche Einschätzung wäre kaum bestreitbar und doch würde sie nichts Wesentliches über das Buch aussagen.

Um nun aber das Vorhaben, eine Rezension über "Die Memoiren des Rodriguez Faszanatas" zu schreiben, nicht gleich zu begraben, muss mit einem speziellen Instrumentarium an die Sache herangegangen werden, den "Helge-Fan-Analysekriterien". Denn nur wer sich für den Komiker und Musiker Helge Schneider erwärmen kann, der wird auch seine Freude am Autor Helge Schneider haben.

Zum Glück sind die "Bekenntnisse des Heiratsschwindlers" Rodriguez Faszanatas ja bereits Schneiders neunter Ausflug in die Literaturwelt, wodurch die zugrunde zu legenden "Helge-Fan-Analysekriterien" sattsam bekannt sind. Was zeichnet demnach also ein gutes Helge-Schneider-Buch aus? Eine stark an den Autor erinnernde Hauptfigur, die Übermenschliches zu leisten vermag und sich selten im Rahmen der physikalischen Gesetzmäßigkeiten bewegt, die zu groben Ausdrucksweisen und sinnloser Gewalt neigt und im sie umgebenden Kuriositätenkabinett stets Überblick und Ruhe behält. Ein Quasi-Übermensch in einer übertriebenen Welt, je abstruser, sinnentleerter und martialischer, desto besser. Dies trifft auf den genialen Ermittler "Kommissar 00 Schneider" ebenso zu wie auf den Weltreisenden Schneider in "Globus Dei" und auch auf die neueste Kreation des Mühlheimers, den Heiratsschwindler "Rodriguez Faszanatas".

Doch im Vergleich zu seinen Vorgängerfiguren wirkt Faszanatas geradezu gesetzt, gealtert, weit weniger aufrührerisch und aufbrausend. Auch seine Umgebung ist verhältnismäßig realistisch beschaffen, es scheint eine Ordnung zu geben, die anarchistische Welt früherer Werke ist verschwunden. Zunächst einmal besitzt Faszanatas für einen Heiratsschwindler recht konservative Grundsätze: "Na gut, Petting, ja. Aber kein GV." Faszanatas melancholische Anflüge sind Spiegelbild dieser neuen Schneider'schen Welt: "Doch ist das ganze Leben nicht eine Erfindung? Eine moderne Erfindung eines ultramodernen Modeschöpfers, der sich einen Spaß daraus macht, uns zum Narren zu halten?"

Auch eindeutig formulierte Gesellschaftskritik ist ein neues Phänomen im "Helge-Kosmos": "Das Leben als jemand, der von ganz unten kommt, wird nur unter dem Einfluss von besonders makabren Ereignissen in eine andere Richtung erfolgen, die Gesellschaft ist dafür nicht ausgelegt, sage ich immer. [...] Es gibt fast keine Ausnahmen. Aber ändern kann ich es nicht." Gesellschaftskritik auf der einen tritt neben Allgemeinplätze a la "Jeder Mensch ist etwas Besonderes" auf der anderen Seite: "Kein Mensch ist Massenware. Wir liegen nicht im Supermarkt im Regal und warten darauf, dass das Verfallsdatum anbricht. Jeder einzelne von uns ist eine Spezialanfertigung."

Diese Forderung nach Individualität tritt neben die platte Absage an den Massenkonsum: "Ich machte den Apparat auch an. Bombenfunde in Frankreich. Verdammt, sollen sie doch alles in die Luft jagen, die Arschlöcher. Ist doch sowieso immer dasselbe. Jahrein, jahraus. Alle Menschen wollen nur das eine. Kohle, Kohle, Kohle. Als ob es nicht noch etwas anders gäbe. Und diese scheiß Mentalität, immer alles zu fressen, was die Obrigkeit anbietet, die scheiß McDonald's-Kacke und all das widerliche Mode-und-so-Geätze, wann hört die Menschheit auf, doof zu sein?" Selbst der größte Fan verspürt hier den moralischen Keulenschlag in schlechtester "Tu mal lieber die Möhrchen"-Manier. Helge Schneider als Moralist?

Zum Glück nicht. Denn das bewegte Leben des spanischen Heiratsschwindlers bietet auch noch jene Kost, die Helge-Fans süchtig macht. Herrlich ist zu lesen, wie Faszanatas seinen Vermieter mit einem Feuerlöscher erschlägt, die Leiche zersägt, in zwei Mülltüten verpackt, in den Fluss wirft und die Tat mit dem Kommentar abschließt: "Seine Rippen trieben im Rio." Auch die Beschreibungen seiner heiratswilligen Opfer sind im besten Helge-Stil gehalten, besonders mit der Erzählstimme des Autors im Hinterkopf: "Ich lächelte mein Gewinnerlächeln und legte verwegen meinen Arm um ihre Taille, als sie ihre Fanta an die verhärmten Lippen setzte. [...]. Sie wurde nur rot, als ich sie mit spitzen, angefeuchteten Lippen auf ihren sonnengegerbten Hinterhals küsste. Der Gestank, der aus ihrer Frisur quoll, war schlicht und einfach erbärmlich. Wie kann man sich nur so verschandeln. 'Dieser Geruch macht mich fast blind, gnädige Frau, [...]'."

Nach den Maßstäben der "Helge-Fan-Analysekriterien" sind die "Memoiren des Rodriguez Faszanatas" dennoch bestenfalls Durchschnittsware. Wenn Helge Schneider bei seinen derzeit häufigen Fernsehwerbeauftritten für das Buch und seinen neuen Film "Mein Führer" immer wieder den Witz überstrapaziert, selbst nicht zu wissen, was er da überhaupt geschrieben hat, dann ist man als Leser geneigt, dieser Aussage durchaus zuzustimmen. Zu lieblos und leblos, wie ein Stück Flickschusterei, kommt einem der "Faszanatas" vor.


Titelbild

Helge Schneider: Die Memoiren des Rodriguez Fazanatas. Bekenntnisse eines Heiratsschwindlers.
Kiepenheuer & Witsch, Köln 2006.
128 Seiten, 6,95 EUR.
ISBN-10: 3462037285

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch