Schlachthof-Fantasien

Max Bronski spielt den "München Blues" in einer Mischung aus Dur und Moll

Von Jörg von BilavskyRSS-Newsfeed neuer Artikel von Jörg von Bilavsky

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

"Vor Hindernissen fange ich nicht zu weinen an, sondern hau sie weg." Wilhelm Gossec, seines Zeichens Trödelhändler aus München, schlägt gerne zu, wenn man ihm oder seinen Freunden dumm kommt. Das ist in Max Bronskis zweitem Kriminalroman "München Blues" nicht anders als in seinem turbulenten Erstling "Sister Sox". Damals ging er für seine hippe "Nenn-Nichte" auf die Barrikaden, diesmal rächt er seinen verlotternden und von Immobilienhaien verfolgten Freund Julius.

Und wie "immer" legt er sich dabei am liebsten mit Schwerverbrechern und Großkopferten an. Sein Plädoyer für Gerechtigkeit bekommen diesmal ein ausgebuffter Staatssekretär im bayerischen Wirtschaftsministerium und der Manager einer millionenschweren Immobilien-AG zu hören. Aber bis er zu deren gut bewachten Toren vorstößt und ihnen allerlei Schweinereien nachweisen kann, muss er einen mit zahlreichen Schlägereien gepflasterten Weg beschreiten.

Wenn der Zufall regiert

Dabei lässt sich der goldene Herbst für Gossec gut an. Die Temperaturen sind angenehm und auf dem Oktoberfest fließt das Bier in Strömen. Alle Münchener und Nicht-Münchener kommen auf ihrem Alkoholtrip zur Theresienweise an seinem Trödel-Laden vorbei. Die beste Saison für Gossec, dem die angeheiterten Touristen den bajuwarischen Tand aus seiner Gemischtwarenhütte im Schlachthofviertel tragen. Dass allerdings ein bayerischer Spitzenbeamter gerade vor seiner Schwelle zu Fall kommt, und zwar röchelnd und bäuchlings, ist großer Zufall.

Und ebenso zufällig schlittert Gossec nun in einen mittelschweren Politskandal. Denn seine Hilfsbereitschaft gegenüber dem hilfsbedürftigen Landtagsabgeordneten bringt ihn in den Verdacht, ein brisantes Dossier entwendet zu haben. Nach dem streng vertraulichen Papier fahndet nicht nur das LKA, sondern auch der Adlatus des Staatsekretärs namens Treublinger. Was es mit dem begehrten Schriftstück auf sich hat, erfährt er von diesen aufdringlich-aggressiven Gestalten natürlich nicht. Erst als ein mietsäumiger Freund aus seiner Wohnung fliegt und er ihm aus der Patsche hilft, stößt er auf das heiß begehrte Dokument.

Gossec schlägt sich durch

Der muskelbepackte Trödler-Detektiv schlägt sich im wahrsten Wortsinne bis zur "Entmietungsfirma" und ihren geldgierigen Auftraggebern durch. Die haben es nämlich nicht nur auf die schäbige Wohnung seines Freundes, sondern auf das zentral gelegene Schlachthofviertel als Ganzes abgesehen, um dessen goldene Zukunft ihre Fantasien kreisen. Gossec schlüpft nun vollends in die Rolle des Rächers der Rechtlosen und Betrogenen und vermag auf zahlreichen Umwegen gerade noch zu retten, was zu retten ist. In altbewährter Manier: Mit einem Totschläger und knackigen Sprüchen, die mit allem und jedem schonungslos abrechnen. Nur nicht mit schönen Frauen. In deren Nähe wird er zahm wie Haustiger.

Das explosive Gemisch aus plakativer Brutalität und bissiger Ironie sind Bronskis Markenzeichen. Der ehemals von Job zu Job hastende Autor schreibt aus der Sicht des kleinen, aber durchsetzungsfähigen Mannes. Der immer mächtig eines auf die Nase oder andere Weichteile bekommt. Aber auch selbst gerne austeilt, wenn um die Ehre oder eine gerechte Sache gekämpft werden muss. "Gossec ist wie Django oder Il Mercenario." Der in einem Interview geäußerte Vergleich des Autors passt: Gossec ist kantig, ruppig und erbarmungslos. Doch so beziehungsgestört wie die skrupellosen Helden aus den berühmt-berüchtigten Italowestern ist er glücklicherweise nicht. Er hat das Herz eben doch am richtigen Fleck.

Ansichten eines bajuwarischen Underdogs

Dafür kommen Gossecs Gegner besonders glatt und gewissenlos daher. So abgrundtief verlogen und treffend er die bösen Charaktere zeichnet, so schablonenhaft bleiben oft ihre Motive und Taten. Bronski bedient ganz bewusst das Klischee vom stets korruptionsbereiten Politiker und der ausbeuterischen Managerkaste. Für ihn gibt es klar abgezirkelte Milieus, deren typischste Vertreter er aufeinander hetzt, um es mal verbal, mal körperlich richtig knallen zu lassen. Die Konstruktion eines wirklich glaubwürdigen und differenzierten Plots ist seine Sache nicht. Es zählen die rebellischen Ansichten des bajuwarischen Underdogs, der dem Blues zwar gerne lauscht, aber gegenüber melancholischen Einflüsterungen vollkommen unempfindlich ist.

Drum schlägt Bronski sprachlich genauso beherzt zu wie sein Held mit der bloßen Faust. "München Blues" ist ein bayerischer Vollblut-Krimi, der reinhaut, mitten ins Zwerchfell und gerne auch mal unter die Gürtellinie.


Titelbild

Max Bronski: München Blues. Kriminalroman.
Verlag Antje Kunstmann, München 2006.
173 Seiten, 16,90 EUR.
ISBN-10: 3888974631

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