Todesgrüße aus Kreuzberg

Titus Keller fahndet in seinem Roman "Aussortiert" nach Koksern und Killern

Von Jörg von BilavskyRSS-Newsfeed neuer Artikel von Jörg von Bilavsky

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Wer ist Titus Keller? Und wer ist der Mörder mit der lila Tinte? Der Autor des Kriminalromans "Aussortiert" möchte genauso anonym bleiben wie seine mordende Hauptfigur, die im Bann verdeckter Mächte und Motive unschuldige Passanten niederstreckt. Ein dickleibiger amerikanischer Tourist, ein farbiger Kleindealer, ein verklemmter Beamter und einige andere werden in rascher Folge Opfer seines tatsächlichen oder fiktiven Tötungsauftrags. An jedem Tatort hinterlässt er pseudoreligiöse Botschaften wie diese: "Zu fett das Schwein für Gott. Aussortiert. Hallelujah". Natürlich in lila Handschrift.

Ein Fanatiker? Oder ein knallharter Killer, der den einsamen und zutiefst verbitterten Kommissar Kai Nabel mit dieser Mordserie in die Irre schicken möchte? Nicht nur den Kreuzberger Kriminalisten und seine Kollegen zermartert diese Frage das Gehirn, Auch des Lesers Geduld wird auf eine harte Probe gestellt. Denn nirgendwo versteckt sich auch nur der leiseste Hinweis auf den potentiellen Täter. Allein Nabels angeborener Intuition verdanken wir nach gut hundert Seiten eine neue Spur. Und zwar eine Koksspur, die sich prompt in Berliner Polizei- und Schickimicki-Kreisen verliert. Zu allem Überfluss schnupft auch Nabels angebetete Kollegin Lidia Rausch gelegentlich das weiße Pulver.

Konfusion und Konflikte wohin die Spürnase reicht. Sowohl den anonymen Schriftsteller als auch seinen desillusionierten Held überfordert dieser Fall maßlos. Sie verlieren sich in abenteuerlichen Spekulationen, wachsweichen Verdächtigungen und handfesten Indizien. Denn alle haben im Berliner Drogengeschäft ihre schmutzigen Hände mit im Spiel: Die Russenmafia, ein Klatschreporter, türkische Großdealer und ein verdeckter Ermittler, der schließlich auf ganz perfide Weise aussortiert wird.

Um der ganzen Verwirrung ein Ende zu bereiten, greift Nabel der (Selbst-)Gerechtigkeit willen zu wahrlich maßlosen Mitteln. Und doch bleiben am Ende viele Rätsel offen. Nur die Kreuzberger Topografie sowie Nabels "Profilneurose" und unterdrückten Leidenschaften heben sich scharf von dem eher nach allen Richtungen wuchernden Plot ab. Egal, ob sich hinter dem Pseudonym wirklich ein bekannter deutscher Schriftsteller verbirgt, wie es im Klappentext heißt, Titus Keller kennt sich nicht nur in den Straßen, Spelunken und Parks von Kreuzberg aus, sondern auch in den Köpfen ihrer Bewohner. Getreu dem widersprüchlichen Berliner Motto: "Lieba een bisken mehr, aba dafür wat Jutes" hat er seinen Roman angelegt. Bei seinem ersten Kriminalroman wäre auf gut Hochdeutsch weniger vielleicht mehr gewesen.


Titelbild

Titus Keller: Aussortiert. Roman.
Eichborn Verlag, Frankfurt a. M. 2007.
275 Seiten, 18,90 EUR.
ISBN-13: 9783821809540

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