Reden ist Gold

Von der Schwierigkeit, die Liebe festzuhalten

Von Steffi SchwabbauerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Steffi Schwabbauer

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Es ist nicht leicht, den Mann für's Leben zu finden. Schon gar nicht, wenn man wie Anna Santos und ihre Lieblingsfreundin Sabine über die schlafwandlerische Fähigkeit verfügt, garantiert nach dem falschen Adonis zu greifen. Dabei wird es für Anna eigentlich Zeit, endlich den Prinzen zu treffen, der ihr die Kleider vom Leib und nicht die Seele aus der Brust reißt, so wie es Sabine gerade einmal wieder passiert ist. Anna ist dreißig und bisher hat Amor ihr nicht gerade zum Glück verholfen.

Wie ein Komet schlägt die Liebe dann plötzlich ein und verändert ihr Leben. Paul ist Maler und ein "Mann von der Sorte junger Marlon Brando mit einem Spritzer Richard Gere". Vor allem aber ist er ganz anders als die nüchterne Investmentexpertin Anna: "liebevoll, zärtlich, sanft, verträumt, verspielt, erfolglos und trotzdem unabhängig". Für ihn gibt sie ihr Casanova-Leben auf. Anna ist fasziniert von dieser Liebe und gleichzeitig erschrickt sie vor sich selbst. Einerseits ist sie unsicher, ob Paul sie wirklich liebt, andererseits ist sie von dem Gedanken begeistert, ihn nie mehr hergeben zu müssen und für immer festhalten zu können.

Sonja Lindberg hat ihren Roman "Einmal zum Mond und wieder zurück" in personaler Erzählhaltung geschrieben. Damit baut sie dem Leser eine Brücke in die Gefühlswelt ihrer Hauptperson und schafft so eine Nähe, der man sich kaum entziehen kann. Anna erzählt aus einer ganz persönlichen, subjektiven Sicht ihre Seite der Geschichte.

Natürlich gibt es auch ein Problem. Anna glaubt, sie könne Paul ganz für sich allein haben. Paul aber will sie nicht nur zur Frau, sondern auch als Mutter seiner Kinder. Doch das übersteigt ihre Vorstellungskraft, denn Anna selbst wuchs in einem emotional eher kalten Elternhaus auf und kann daher mit dem Begriff Familie nur wenig anfangen. Sie hat eine Mutter, die ihr Kind nie wollte und einen Vater, der ihr - nachdem seine Frau ihn betrog - nie mehr die Liebe geben konnte, die sie sich gewünscht hätte.

Annas Entscheidung, das Thema Kinder zunächst zu ignorieren, läßt sie in einen Kreislauf der kleinen Lügen schlittern. Sie kann sich nicht vorstellen, Pauls Liebe mit einem Kind zu teilen. Aus Angst, "dass ich mich verliere, wenn ich tue, was Paul will, und Angst, dass ich ihn verliere, wenn ich tue, was ich will", schafft sie es nicht, mit ihm über ihr Problem zu reden. Damit beginnen die kleinen zu großen Lügen zu werden. Anna fürchtet sich geradezu vor einer Schwangerschaft, doch sie läßt Paul in dem Glauben, eben dies zu wollen.

Während er ihren Zykluskalender studiert, die günstigsten Tage errechnet und voller Erwartung auf mögliche physische oder psychische Veränderungen ihres Körpers achtet, schluckt sie regelmäßig die kleinen rosa Pillen, um die Kontrolle über ihren Hormonhaushalt zu behalten. So bleiben Spannungen nicht aus und Anna muss sogar erkennen, dass auch Paul nicht immer die Wahrheit sagt, obwohl er überzeugt ist, "dass man nur einmal im Leben richtig liebt".

"Einmal zum Mond und wieder zurück" ist ein Roman über die große Liebe, die in der Realität an Grenzen stößt, die es im Märchen nicht geben würde. Es ist eine durchweg spannende Erzählung, die, obwohl eine Liebesgeschichte, nie kitschig ist. Konsequenterweise verzichtet Sonja Lindberg auf ein Happy End, ohne Anna dabei verbittert zurückzulassen. Der Leser wird gar mit einem überraschenden Ausgang entschädigt. Es bleibt schließlich die Erkenntnis, dass grenzenlose Liebe nur bei bedingungsloser Ehrlichkeit möglich ist und manchmal nicht schweigen, sondern Reden Gold ist.

Titelbild

Sonja Lindberg: Einmal zum Mond und wieder zurück.
Ullstein Taschenbuchverlag, Berlin 2000.
256 Seiten,
ISBN-10: 3548246915
ISBN-13: 9783548246918

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch