Mühsame Polizeiarbeit

Leif G. Persson lässt uns teilhaben, teilhaben, teilhaben

Von Walter DelabarRSS-Newsfeed neuer Artikel von Walter Delabar

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Der Polizeikrimi hat im Grunde genommen ein Problem. Wer sympathisiert schon wirklich mit der Polizei? Die Ordnungshüter haben nun mal leider das Pech, dass sie nicht nur die Bösen fangen sollen - sondern eben auch einem politischen oder staatlichen Apparat dienen, der seine eigenen Ansichten von Recht und Ordnung hat. Gelegentlich geht das ganz schief, wie etwa in den Diktaturen des 20. Jahrhunderts. Und auch wenn die totalitären Systeme allesamt das Problem hatten, so etwas wie Verbrechen, das nicht von Systemgegnern kam, überhaupt denken zu können - diese Systeme sind bis heute eine beständige Bürde für die Polizei und damit auch für den Polizeikrimi.

Er fängt das gelegentlich mit Verweisen auf die politischen Rücksichten der Polizeispitze und auf die Korruption auf, die es hier und dort im Apparat gibt. Auch persönliche Unfertigkeiten unterlaufen den Systemmalus gelegentlich. Das alles ist ja menschlich, und solange es an der Polizeibasis noch echte Polizisten gibt, die das Recht und die Bürger schützen, kann nicht alles verloren sein. Sobald es aber um Recht und Ordnung geht, gerät der Polizeikrimi in schwieriges Fahrwasser, zumal dann, wenn wie in letzter Zeit das Ganze in hundertprozentiges Moralin getränkt wird. Die Lösung, die vor allem aus den US-Serien nach Europa schwappt, ist eine Art trotzige Rechthaberei: Wir sind die Guten, wir vertreten das Gute, und was wir tun ist richtig, egal was es ist.

Im Vergleich dazu sind die europäischen Polizeizweifler (bei Fred Vargas oder auch bei Henning Mankell) schon ausgesprochen sympathisch. Sie leben wenigstens das Dilemma ihrer Position aus, eigentlich für gute Werke oder die Bestrafung der Bösen zuständig zu sein, dabei aber einem System dienen zu müssen, das selbst (aus welchen Gründen auch immer) nicht ganz astrein ist.

Ein weiteres Problem kommt hinzu: Obwohl im Polizeikrimi eigentlich nur der suchende Protagonist ausgetauscht wird, Kommissar statt Privatdetektiv, sehen viele Romanpolizisten und ihre Arbeit ein wenig hausbacken aus. Ja, sie trinken viel, vielleicht weil sie so viel im Leben gesehen haben, aber im Großen und Ganzen haben sie vor allem herumzuschwätzen und viel systematische Arbeit zu absolvieren. Das Ganze wirkt wie alles fein zurecht gelegt und dann nach und nach abgehakt. Gelegentlich nennt das jemand "Hausarbeiten machen", und genau so freudlos und unangenehm hört es sich auch an.

Schaun wir also auf diesen Fall, den uns Leif G. Persson, immerhin Professor für Kriminologie, Medienexperte und einer der führenden Krimiautoren Schwedens, hier vorlegt. Eine junge Polizeianwärterin, die in den Ferien den Schalterdienst in einem Revier macht, wird vergewaltigt und ermordet aufgefunden. Der Täter hat offensichtlich die Wohnung hastig und durchs Fenster verlassen, dabei seine Unterhosen und Schuhe zurückgelassen, nebst sonstigen Spuren, insbesondere diverse Körperflüssigkeiten. Das Ganze sollte also wenig Probleme machen, reine Fleißarbeit und eines nach dem anderen, denn der Täter muss noch in relativer Nähe sein. Das heißt also, alle Männer, die erreichbar sind und in Frage kommen, abgleichen und darauf warten, dass der Richtige dann dabei sein wird.

Der Mord wird von oben mit höchster Aufmerksamkeit beobachtet, allerdings sind Ferien, und so geschieht es, dass Evert Bäckström von der Zentralen Mordermittlung losgeschickt wird, um die Ermittlungen zu leiden. Nun ist Bäckström offensichtlich uninteressiert, überheblich, alkoholabhängig, sexistisch und unfähig. Dafür hat er zu allem eine deftige Meinung und gelegentlich äußert er sie auch arg offen. Dennoch kann selbst er den Polizeiapparat nicht bei der Arbeit stören, wie auch seine Kolleginnen und Kollegen keine großartige Polizisten sind. Sie sind fähig oder unfähig, erfahren oder unerfahren. Es sind alles Menschen, die ihren Job irgendwie machen, und sich am besten an die Vorschriften halten. Dass es einen unter ihnen gibt, der ein wenig hartnäckiger ist als die anderen, führt schließlich zum Erfolg. Aber bis dahin sind viele Seiten vergangenen, in denen wir den Alkoholexzessen der Hauptfigur Bäckström und unmaßgeblichen Wortbeiträgen der Nebenfiguren gefolgt sind und hin und wieder Verdächtige ausprobieren dürfen, die es aber (angesichts der bereits absolvierten Seiten) noch nicht sein können. Persson konzentriert sich derart auf die merkwürdigen Seiten seiner Hauptfigur Bäckström, dass es scheint, als ob er vor allem belegen wollte, dass es das System ist, der Apparat, und nicht die Menschen, die erfolgreich sind.

Selbst seine später nachgeschobenen Ermittlerinnen Anna Holt und Eva Mattei sind derart vorurteils- und klischeebeladen, dass sie sich essentiell kaum von Bäckström unterscheiden. Bäckström ist alt, männlich und ein Idiot, die Damen sind in den besten Jahren, weiblich und sehr intelligent. Aber es hilft ihnen kein Stück weiter. Sicher, am Ende ist der Mörder gefasst, aber wem ist das eigentlich zu verdanken? Es scheint also, als habe Persson eine These, die er erzählerisch zu verpacken versucht und die darin besteht, dass der Apparat trotz der Personen gut funktioniert. Aber - um damit auch die Umsetzung zu kommentieren - das Ganze geschieht derart behäbig und langatmig, dass die Frage, ob Leser hier gut oder schlecht unterhalten werden, sich eigentlich gar nicht mehr stellt.


Titelbild

Leif GW Persson: Mörderische Idylle.
Übersetzt aus dem Schwedischen von Gabriele Haefs.
btb Verlag, München 2007.
540 Seiten, 19,95 EUR.
ISBN-13: 9783442751709

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