Dr. Gonzo ist zurück

Hunter S. Thompsons "Gonzo Generation"

Von Martin SpießRSS-Newsfeed neuer Artikel von Martin Spieß

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

"Ich habe die Schreiberei immer als hassenswertesten aller Jobs angesehen. Vielleicht gleicht es darin dem Ficken: es macht nur den Amateuren Spaß. Alte Huren haben nicht viel zu kichern", schrieb Hunter S. Thompson im Herbst 1971 in einem Text über sein erstes Buch "Fear and Loathing in Las Vegas". Dass das Schreiben Entbehrungen bedeutet, weiß jeder Schreibende zu berichten, denn es ist und bleibt Arbeit, sei es auch umwölkt von pittoresker Elfenbeinturm-Genieästhetik.

Im Falle von Hunter S. Thompson, dem Erfinder des Gonzo Journalismus, aber hat sich alle Plackerei gelohnt. Für seine gleichsam wilden und professionellen Reportagen, in denen er sich oft selbst zum Teil der Geschichte machte, wurde er berühmt, berüchtigt und gefürchtet. Kein anderer vor und auch nicht nach ihm ging schonungsloser mit amerikanischer Politik und Gesellschaft ins Gericht als der Mann von der "Owl Farm", seinem Haus und Gründstück in Aspen, das er gekauft hatte, bevor der Skiort zu einem Zentrum der Reichen und Schönen wurde. Die lange nur in englischer Sprache vorliegenden Bände 3 und 4 der "Gonzo Papers", die Bücher, in denen sich seine Reportagen fanden, sind jetzt - zusammen mit einem Best Of aus den "Gonzo Papers" 1 und 2 - auf deutsch erschienen. Und wieder einmal wird offenbar: Hunter S. Thompson ist und bleibt der Godfather des Rock'n'Roll-Journalismus, der bis zu seinem frei gewählten Ende vor zwei Jahren nicht daran dachte, etwas an seiner offenen Schnauze oder seinem Konsum von "Wild Turkey Whiskey" zu ändern. Von Reportage zu Reportage überrascht Thompson mit neuen, mal mehr, mal weniger kritischen Sichtweisen. Tritt Dr. Gonzo auf den Plan, dann gewinnen die Reportagen nicht nur an Unterhaltung und Flair, sie gewinnen auch an authentischer Aussagekraft, weil Thompson dem Text durch sein persönliches Dabeigewesen-Sein und Erleben ein Mehr an Tiefe verleiht.

Zu subjektiv, heißt es aus den Lagern derer, für die die Textform Reportage offenbar ohne einen Autor auskommt. Aber der und kein anderer hat gesehen, gehört und - wie Hunter S. Thompson - erlebt, was dann zum Text destilliert wird. Unprofessionell, weil zu subjektiv, heißt es, aber Thompson lässt in seinen Reportagen die journalistische Professionalität nicht beiseite. Er recherchiert genauso intensiv, lässt sich selbst und seine persönliche Sichtweise, sein Erleben von Dingen, die mit dem Thema der Reportage in Verbindung stehen, aber nicht außen vor, sondern in den Text einfließen. Er stellt scheinbar unbedeutende Dinge mit einander in Verbindung und generiert aus ihnen einen großen gesellschaftlichen Zusammenhang.

Er symptomatisiert: Eine Technik, die heute, 40 Jahre später, zum Handwerk jedes guten (Kultur-)Journalisten gehört. Was Hunter S. Thompson betrifft, könnte man es auch so sehen: Wenn die Schreiberei der hassenswerteste aller Jobs ist, dann kann man ihn sich wenigstens mit einem Glas Whiskey und einem halluzinogenen Cocktail angenehm machen. Indem man nicht nur die Story liefert, sondern - wie ihn seinem ersten Roman "Fear and Loathing in Las Vegas" - den Abscheu beschreibt, den man empfindet, weil man mit "der Story rüber kommen" muss. Letztlich bleibt es nur, mit den Worten Hunter S. Thompsons selbst zu schließen: Res Ipsa Loquitur.


Titelbild

Hunter S. Thompson: Gonzo Generation. Das Beste der Gonzo-Papers.
Hrsg. v. Wagner, Alexander Übers. v. Schwaner, Teja.
Heyne Verlag, München 2007.
574 Seiten, 9,95 EUR.
ISBN-13: 9783453404892

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