Wie Coca Cola

Ein Klassiker, der kein Klassiker ist: Klaus Weber hat "Faschismus und Ideologie" neu herausgegeben

Von Wolfgang WippermannRSS-Newsfeed neuer Artikel von Wolfgang Wippermann

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Der Band ist in der Reihe "Argument Classics" erschienen. Warum nicht. Schließlich bietet Coca Cola auch ein Getränk dieses Namens an. Doch wenn der Herausgeber Klaus Weber dieses erstmals 1980 erschienene Buch als "Klassiker" bezeichnet und anpreist, dann erscheint dies doch etwas hoch und falsch gegriffen zu sein. Einmal, weil "Ideologie" als "Vergesellschaftung von oben" begriffen und zum anderen, weil "Faschismus" auf den Nationalsozialismus reduziert wird. Beides im Theorie-Jargon der 1970er-Jahre und auf einer noch älteren Literaturbasis. Dies ist nicht "klassisch", sondern schlicht veraltet.

Der Herausgeber Klaus Weber hat sich noch nicht einmal die Mühe gemacht, das schon damals etwas veraltete Literaturverzeichnis, das nur Werke enthält, die bis Anfang der 1970er-Jahre erschienen sind, zu modernisieren oder gar auf den neuesten Stand zu bringen. Doch dies wäre auch etwas viel verlangt. Ist doch die Nationalsozialismus-Forschung in den letzten 30 Jahren geradezu explodiert und unübersehbar geworden.

Allerdings hätte sich Klaus Weber schon etwas mehr mit der Forschung und Diskussion über die Anwendbarkeit eines allgemeinen, das heißt nicht allein auf Italien bezogenen Faschismusbegriffs beschäftigen können. Von der neueren Faschismusforschung scheint er nur den knappen Überblick von Arnd Bauerkämper und das Buch des amerikanischen Historikers Robert O. Paxton zu kennen. Dies ist nun wirklich zu wenig. Um so unpassender ist daher auch seine Kritik, die in dem Vorwurf gipfelt, dass beide Autoren die "in der DDR entwickelten Theoriestränge zu Faschismus und Weltkrieg" zu wenig beachtet hätten.

Bei allem Respekt vor den Kollegen aus der vor 17 Jahren untergegangenen DDR - sie haben sich fast ausschließlich mit dem Nationalsozialismus und eben nicht mit dem (generischen) Faschismus beschäftigt und dazu auch keine "Theoriestränge" vorgelegt. Die Faschismusdefinition des XIII. EKKI-Plenums vom Dezember 1933, für die fälschlich auch noch Georgi Dimitroff verantwortlich gemacht wurde, war doch keine Theorie und schon gar keine marxistische. Marx zumindest hätte sich mit Grausen von diesem Murks abgewandt. Doch die DDR-Historiker haben an diesem Konstrukt wie an einem Dogma und bis 'zum Schluß' festgehalten und froh und munter verkündet, dass der "Faschismus an der Macht" die "offene terroristische Diktatur der am meisten reaktionären, chauvinistischen und imperialistischen Elemente des Finanzkapitals" gewesen sei. So etwas zu zitieren, erweckt heute allenfalls nostalgische Gefühle, bietet aber keinerlei theoretische Anstöße, um den Faschismus im allgemeinen, den faschistischen Rassenmord im besonderen zu erklären.

Wenigstens das haben die Autoren und Autorinnen des Sammelbandes von 1980 erkannt und sich vorsichtig und verklausuliert von der damals nicht nur in der DDR vertretenen und verteidigten instrumentalistischen und ökonomistischen Definition des (deutschen) Faschismus distanziert. Darin lag der mehr politische als wissenschaftsgeschichtliche Wert des "Projekts Ideologietheorie". Heute ist das alles Geschichte. Coca Cola ist dagegen noch Gegenwart.


Titelbild

Klaus Weber (Hg.): Faschismus und Ideologie.
Argument Verlag, Hamburg 2006.
374 Seiten, 19,50 EUR.
ISBN-10: 3886193349

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