Die Naschkatzen der Neunten Legion

Susanna Kearsleys Roman "Rosehill" ist mehrfach mittelmäßig

Von Peter MeyerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Peter Meyer

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Es haut einen wirklich nicht um, was an überzeugender Schlagkraft uns in Susanna Kearsleys drittem Werk " Rosehill" geboten wird. Die 34-jährige Autorin genießt, ähnlich wie Ihre Protagonistin, nicht mehr "das Privileg der Jugend", ist aber auch noch nicht zu alt, um noch vor Scham oder Unsicherheit "blutrot" zu werden.

Die Kanadierin Susanna Kearsley, lebt in Ontario, und nach dem Studium wurde der Karriereweg zur Schriftstellerin nur kurz durch einen Job als Kellnerin und eine Tätigkeit als Museumskuratorin unterbrochen. Nicht nur diese zweite Tätigkeit, auch die Dankesworte der Autorin zu Beginn des Romans lassen den Schluss zu, dass Sie einige der dargestellten Sequenzen selbst erfahren hat, dass zwischen der Autorin und der Protagonistin gewisse Übereinstimmungen vorhanden sind. Für ihren Erstling "Mariana" erhielt sie den "Gatherine-Cookson-Preis". 1999 hatte sie bereits "Glanz und Schatten", ihren zweiten Roman, vorgelegt.

Die Archäologin Verity Grey, eine 29-jährige, wahrheitsliebende Frau - wie ihr Vorname und andere Romanbeteiligte konstatieren -, verlässt London und ihre gutsituierte Stellung am Britischen Museum, um im schottischen Norden einen Ausflug in die Vergangenheit zu wagen, der zur Entdeckung der HISPANIA, der Neunten Römischen Legion führen soll. Dieses aufgeworfene Spannungsmoment jedoch findet bis zum Romanende keine definitive Lösung; die Entdeckung wird nur wahrscheinlicher. In den Vordergrund schiebt sich eine Liebesgeschichte der Protagonistin mit dem in Eyemouth beheimateten Archäologen David Fortune.

Schon der Nachname "Grey", deutet an, dass hier eine "graue Maus" am Werke ist: Auch wenn die Heldin als "thrawn" (unabhängig, schwierig) bezeichnet wird - ein schottischer Begriff, der mit vielen anderen, zu einem Einführungskurs ins Schottische wird - sind ihre Verhaltensweisen, Meinungen und Vorstellungen geradezu altbacken, "matronenhaft", altmütterlich und von einer Sicht geprägt, die die Welt, in Männer und Frauen, Studenten und Andere, Gut und Böse klar abgrenzt. Die Angelegenheit fleischlicher Liebe findet, wegen der an Verklemmtsein grenzenden Schamhaftigkeit der Erzählerin, nur zwischen den Zeilen statt. Ihr sich wiederholendes "Rot-Werden", ihre unzähligen kleinen Aufwallungen in der Nähe Davids, "unter dessen Hemd seine starken Muskeln" sich abzeichnen, scheinen Anzeichen der Reise in die Vergangenheit des zwischenmenschlichen Verhaltens zu sein, was bei einer Figur wie der 29-jährigen Londonerin unnatürlich erschient.

Eine mythische Ebene stellt zweifelsfrei Robbie dar, ein Junge, der mit Hilfe seiner hellseherischen Fähigkeiten den Kontakt zu einem Geist eines Soldaten jener Neunten Legion aufbaut, der noch ruhelos über das Ausgrabungsfeld tollt und dessen Informationen, peu a peu zugeteilt, lange Zeit als einziger Hinweis auf einen Fund deuten. Jener Geist sorgt mit seiner wiederauflebenden, geschwisterlichen Liebe zur Protagonistin, die ihn an seine Schwester erinnert, dafür, dass die Konzentration vom breit begonnen Figurenspektrum schnell auf die Protagonistin zurück führt.

Die Figur der Protagonistin ist nicht geglückt: auf der einen Seite wird sie, als impulsiv, unabhängig, wahrheitsliebend beschrieben, doch im Verhalten, in ihren Handlungen, gerade im Privatbereich, verliert sie all diese Eigenschaften. Auch die übrigen Figuren lassen wenig Tiefe erkennen. Die Meisten lassen sich auf wenige Merkmale festlegen und wandeln sich nicht im Handlungsverlauf. Jeannie, die Mutter des hellsichtigen Jungen Robbie, zum Beispiel ist fast ausschließlich mit Handlungen der Mütterlichkeit beschäftigt, wie Kochen, zu Bett schicken, zum Frühstück zwingen, Ordnung schaffen und Plätzchen backen.

An der wiederkehrenden Darstellung der "Plätzchen naschenden" Männer des Romans aber lässt sich das Scheitern der Autorin festmachen, sich nicht für eine klare Linie entschieden zu haben, an der sich der Roman entwickeln soll. Das "Plätzchen-naschen" wird derart häufig wiederholt, dass ein anfänglich als atmosphärisch-ironisch zu deutendes Motiv durch die Wiederholung zum kläglichen Versuch eines 'Running Gag' verkommt.

Es auch an Aktualität, durch Erwähnung populärer TV-Serien wie "Akte X" oder berühmter, britischer Sitcoms, nicht fehlen zu lassen, verstärkt nur den Eindruck des Bemühens der Autorin, so viel wie möglich thematische Elemente unterzubringen. Auch der folkloristische und heimatlich anmutende Teil Schottlands wird mit Duddelsackpfeifern, Schmugglern, Keipenschlägereien und den landesüblichen Trinkgewohnheiten ins Spiel gebracht.

Die unterlassene Entscheidung für eine Konzentrierung macht eine Einordnung in ein Genre als Abenteuer-, Bildungs-, Fantasy-, Liebes- oder historischer Roman nicht möglich. Wäre es ein Bildungsroman, so müsste die innere Welt der Erzählerin mehr ausgearbeitet werden, ihre kurzen, wie Allgemeinplätze anmutenden Aussagen, fallen negativ ins Gewicht. "Das Tröstliche an der Vergangenheit war für mich immer gewesen, dass sie sich in vorhersehbaren Mustern wiederholte, dass man wusste, welche Folgen und Ergebnisse man unter bestimmten Umständen erwarten konnte". In diese Worte lässt sich auch das Dilemma der Spannungslosigkeit fassen.

Zeitgleich mit einem Sturm, wen könnte es auf Seite 404 noch überraschen, kommt es zum ersten und letzten Spannungshöhepunkt des Romans: Enkelin Fabia will sich an ihrem Großvater, dem Ausgrabungsleiter Peter Quinnell, wegen seiner angeblichen Schuld am Selbstmord ihres Vaters rächen und hetzt Zöllner und gedungene Mörder auf ihn, wird das schnelle Ende des Romans eingeleitet. Es überrascht, dass die kontinuierlich, fast akribisch sich entwickelnde und in ihrer Kapitelstruktur wiederholende Handlung so schnell beendet wird. So ist der Roman auch von seiner internen Komposition her unausgewogen und verworren.

Titelbild

Susanna Kearsley: Rosehill.
Kabel Verlag, München 1997.
427 Seiten,
ISBN-10: 3822504998

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