Roter Wein

Zu Manfred Wieningers Krimi "Der Engel der letzten Stunde"

Von Martin A. HainzRSS-Newsfeed neuer Artikel von Martin A. Hainz

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Mit Marek Miert hat Manfred Wieninger einen Detektiv geschaffen, der halb wie Mike Hammer & Co. auftritt, halb aber auch deren Persiflage darstellt. Wobei Miert eher bulligen Formats ist: "Anzuggröße [...] Bagger."

Er ist seltsam eingekeilt in der Welt, leidet darunter, kein Ich haben zu dürfen. In einem früheren Roman wird er - noch als Polizist -aus dem Dienst entlassen, weil er dem Brigadier auf dem Weg zu dessen Schäferstündchen über den Weg läuft, das der Vorgesetzte in jenem Haus, wo auch Miert wohnt, zu verbringen gedenkt. Eine grobe Subordination: ",Herr Brigadier, soll ich meine Wohnung kündigen?' Nur Stunden später musste ich meine grüne Uniform ausziehen, und das Sicherheitsbüro bekam mich als eine Art Aktenboten mit Matura zugeteilt." Zugleich hat Miert an dem Anteil, womit er permanent hadert. Sein kleinbürgerliches Urteil über ein Gemälde Egon Schieles, es sei "ein Meisterwerk gynäkologischer Kunst, ein Wichsbild", könnte natürlich ebenso das Verdikt eines der von ihm verachteten Kleinbürger sein.

Es geht um den geheimnisvollen Auftrag, ein vermisstes Kind zu finden, erteilt von einem offenbar unbeteiligten, todkranken Millionär´. Die Mutter des Kindes hat sich indes schon lange dem Suff ergeben, ihre Eitelkeit dabei jedoch noch nicht verloren. Ihr Motto: "Wer selbst ohne Eitelkeit ist, der werfe die erste Flasche". Miert, charmant wie "Tom Cruise nach vier Wodka on the rocks", begibt sich also in allerlei Abgründe und bekommt manch freundliche Replik, etwa: "Wem sollen wir danach Ihre Leichenteile übergeben?"

Allerdings hat sich Miert hier, im Vergleich zu den seinen anderen Krimis, geändert: Er ist weniger ambivalent, nur ein underdog darf er bleiben. "Bei einem Marek-Miert-Wettbewerb würde ich vermutlich nur den vierten Rang belegen, wenn überhaupt", verkündet er. Der Zynismus aber ist nun einer der Nüchternheit, worin noch nicht Resignation vorliegt, und auch nicht jener Pragmatismus der Arisierung, der hier thematisiert wird. Um jenes "bisschen Geld in der Kassa von all den arisierten Werten, von denen sie in der Nachkriegszeit nur die Grundstücke und ein paar allzu berühmte Gemälde zurückgeben mussten", und die stolzen Besitzer dieses Kapitals geht es hier immer wieder - und außerdem um "Nekrophile und Gestörte und nekrophile Gestörte und gestörte Nekrophile". In diesem Umfeld wirkt Miert schließlich fast wie ein Guter, ein fast zu Guter. Heroisch handgreiflich wird er wider die alten Nazis und jene Zyniker, die sich anders als er mit all dem Grausigen abzufinden gewillt sind. Zum Beispiel damit, dass besagte Mutter, deren Kind fort ist, schwer verschuldet nun "ihre Schulden [...] mit dem Arsch ihrer Tochter" zu begleichen gedenkt.

Da wird Miert zum zornigen Heiligen und zum sensiblen Poeten, durch den sein Autor indes manchmal zu vernehmlich spricht: Es "schimmerte der Wein in der Karaffe wie eine konzentrierte Essenz aus abertausend verlorenen Menschenherzen - und für all diese [...] verschiedenen Farbtöne der Liebe, der Leidenschaft, des Blutes und des Weines hatten wir nur ein einziges Wort: rot." Derlei und der Wille Wieningers, das Problem des Asyls in Österreich en passant auch noch zu be- und verhandeln, tut dem Lesevergnügen aber wenig Abbruch, das sich nicht nur an dem Plot entzündet, sondern auch und vor allem an der Sprachgewalt, der Zugespitztheit der Bilder und Formulierungen, die manchen Verstoß wider die so genannte Erzähl-Ökonomie nicht nur fordern, sondern auch rechtfertigen.

Insgesamt also ein feines Buch, anschaulich und spannend als Krimi, aber auch diskursiv - und nebenbei eine Lektion in Sachen Österreich, mit Sätzen wie diesem: "Das Einzige, was selbst in Österreich nicht umgangen werden kann, ist der Tod". Sagen wir doch: Marek Miert ist auf dem besten Wege, in sehr sympathischer Manier für (Krimi-)Leser fast unumgänglich zu werden.


Titelbild

Manfred Wieninger: Der Engel der letzten Stunde.
Unionsverlag, Zürich 2007.
192 Seiten, 8,90 EUR.
ISBN-13: 9783293203938

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch