Von Dickhäutern und anderen Schwergewichten

Silvio Bedini sieht im "Elefanten des Papstes" Leo X. das Symbol für Weltlichkeit und Laster

Von Jörg von BilavskyRSS-Newsfeed neuer Artikel von Jörg von Bilavsky

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Der weiße Elefant von Renaissance-Papst Leo X. hatte so manches Kunststück auf Lager. Er konnte zum Flötenspiel tanzen, auf Kommando weinen, sich verbeugen, niederknien oder die Zuschauer zur allgemeinen Erheiterung einfach nur mit Wasser bespritzen. Heute würde er unter den dressierten Zirkuselefanten kaum noch auffallen. Damals, vor knapp 500 Jahren, war er in Rom die Sensation und durfte auf keinem festlichen Umzug fehlen. Keine Kosten und Mühen wurden gescheut, um dem vier Jahre alten Elefanten das Leben in der Vatikanstadt so angenehm wie möglich zu machen. So berichtet es zumindest Silvio A. Bedini, der die längst vergessen geglaubte Geschichte des Dickhäuters in den Archiven des Vatikans und diversen Bibliotheken Italiens, Spaniens und Portugals entdeckt und nun in allen Einzelheiten wieder aufgezeichnet hat.

Portugals König Manuel I. hatte ihn 1514 dem Papst zum Geschenk gemacht, um sich den Segen und das nötige Geld für seine Eroberungszüge auf den frisch entdeckten Weltmeeren und Kontinenten zu holen. Er sollte mit seinem dressierten Präsent Erfolg haben. Denn der Papst schwärmte wie viele Potentaten seiner Zeit für exotische Tiere. Beim festlichen Einzug des weißen Elefanten in Rom war er hellauf begeistert. Glaubt man den von Bedini en detail zutage geförderten Schilderungen der Zeitgenossen, waren es auch die Bewohner der Ewigen Stadt. Die von Bedini ausführlich zitierten Briefe, Gedichte und Berichte beweisen den ungeheuren Schauwert des Dickhäuters und Leos Hang zu extravaganten Vergnügungen, die tiefe Löcher in der päpstlichen Schatzkammer hinterließen. Obgleich der Elefant ein Exotikum und eine Attraktion ersten Ranges darstellte, hätte es eines weiteren Beweises für Leos Verschwendungssucht jedoch kaum mehr bedurft.

Hanno, wie man den Elefanten nannte, ist keineswegs ein Symbol "für die Weltlichkeit, für Exzesse und Frivolitäten", wie es im Klappentext so hochtrabend heißt. Er zählt wie die von Leo heißgeliebten Possenreißer zum allgegenwärtigen päpstlichen Kuriositätenkabinett. Ein besonderes Exemplar, aber in seiner herausgehobenen Bedeutung für das erhitzte Klima der Hochrenaissance von Bedini maßlos überschätzt. Die Geschichte ist nicht nur aus Scham, sondern auch wegen ihrer historischen Irrelevanz aus dem Gedächtnis der Nachwelt verschwunden.

So sehr Bedini diese verderbte Welt auch in vielen ihrer Facetten darbietet und ein archivalisches Fundstück ans andere reiht: Einen tieferen Einblick in die Herrschaftspraxis des gerade mal acht Jahre amtierenden und 1521 von der Malaria dahingerafften Papstes bekommen wir so gut wie nie. Dass der Mann auf dem Stuhle Petris seine Verwandtschaft aus dem Hause Medici protegierte, wo er nur konnte, bleibt bei Bedini ebenso schemenhaft wie sein verschlagener und doppelzüngiger Charakter in machtpolitischen Fragen. Schließlich musste er nicht nur für seine Lustbarkeiten, sondern auch für seine Kriege und seinen geplanten Kreuzzug Möbel und Geschirr aus dem päpstlichen Palast verpfänden.

All diese historisch wichtigen Facetten finden in der farbenfrohen und ausufernden Schilderung der festlichen Umzüge kaum Platz. In den drei Jahren, zwei Monaten und 26 Tagen, die der Dickhäuter im Vatikan verbrachte, bevor er an einer Verstopfung elend einging, spiegelt sich keineswegs das Bild dieses ebenso kunst- wie leichtsinnigen Renaissancefürsten. Bedinis elegant formulierte Darstellung ist die Fleißarbeit eines neugierigen Gelehrten. Einen wirklich neuen Blick auf die von religiöser Erneuerung und päpstlicher Dekadenz geprägten Epoche liefert sie leider nicht.


Titelbild

Silvio A. Bedini: Der Elefant des Papstes.
Übersetzt aus dem Englischen von Klaus Kochmann.
Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2006.
336 Seiten, 29,50 EUR.
ISBN-10: 3608940251

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