Zu dieser Ausgabe

Das Los des Literaturwissenschaftlers ist wohl selten so treffend beschrieben worden wie in jenem netten Song der Beatles, der "Nowhere Man" heißt und sich auf dem Album "Rubber Soul" (1965) findet: "He's a real nowhere man, sitting in his nowhere land, making all his nowhere plans for nobody."

Manchmal gibt es aber auch unverhoffte Sternstunden für Germanisten. Dann schreiben sie zum Beispiel Rechtsgeschichte. Im Bundesverfassungsgerichtsurteil zum Verbot von Maxim Billers Roman "Esra" werden York-Gothart Mix und Christian Eichner unter der Randnummer 123 mit einer Abhandlung erwähnt, die es zwar nicht geschafft hat, die Entscheidung gegen den Roman zu kippen - aber immerhin eine abweichende Meinung zweier Richter provozierte: "Ein Fehlurteil als Maßstab? Ein Lackmustest für das Problem der Kunstfreiheit in der Bundesrepublik Deutschland: Zu Maxim Billers 'Esra' und Klaus Manns 'Mephisto'". Erstaunlicherweise ist das richterliche Zitat mit dem Zusatz versehen, es handele sich um ein "unveröffentlichtes Gutachten". Das hohe Gericht irrt: Der Text war bereits in der Juni-Ausgabe von literaturkritik.de erschienen.

Von derartig skandalösen Missachtungen unbeirrt, haben wir für unsere November-Ausgabe allerhand Preisverleihungen unter die Lupe genommen: zu allererst die des Literaturnobelpreises an Doris Lessing. Flankiert wird dieser Schwerpunkt mit wieder einmal über 90 Rezensionen und Artikeln, deren Lektüre sich bestimmt lohnt - nicht nur für Verfassungsrichter.

Herzlich,

Jan Süselbeck