Sick of it all

Kein Gegenmittel gegen Bastian Sicks Sprachwahn in Sicht

Von Martin SpießRSS-Newsfeed neuer Artikel von Martin Spieß

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

"Man kann es ja kaum noch ertragen: ständig und überall wird über die 'Verlotterung der Sprache' lamentiert", witzelt Bastian Sick, Kolumnist bei "Spiegel Online", gleich zu Beginn seines gefühlt vierhundertsten Buches "Happy Aua. Ein Bilderbuch aus dem Irrgarten der deutschen Sprache" munter los. Dass der Witz ja eigentlich der ist, dass er selbst - haha - Autor einer Kolumne über die deutsche Sprache ist, das mischt Sick ganz unauffällig unter, so dass es nur dem findigen Leser auffällt. Wirklich?

Nein, natürlich nicht. Denn wenn Bastian Sick eines nicht ist, dann witzig. Und das ist sein größtes Problem. Denn er selbst hält sich scheinbar für die personifizierte Witzischkeit. Seine seit 2003 auf "Spiegel Online" erscheinenden unpointierten und pathologisch kalauernden "Zwiebelfisch"-Kolumnen - sie werden in schöner Regelmäßigkeit von Kiepenheuer & Witsch in Buchform unters Volk gejubelt - sind schon der Gipfel der Unfassbarkeit. In "Happy Aua" stößt Sick sich von eben diesem Gipfel noch mal ab in Richtung Himmel. Das "Bilderbuch aus dem Irrgarten der deutschen Sprache" versammelt Fundstücke von Sicks Lesern: Fotografien oder Zeitungsausschnitte, wie sie zum Teil auch im "Hohlspiegel" zu finden sein könnten. (Schaufenster-) Reklame, Aushänge und Straßenschilder bieten dem geneigten Betrachter ihre sprachlichen Kuriositäten feil. Und diese sind zum großen Teil tatsächlich sehr komisch. Wenn ein Restaurant mit "1 Pizza bestellen, zwei zahlen" wirbt oder der Waschsalon zum "Waschsahlong" wird, kommt der Leser nicht umhin, sich das ein oder andere Lächeln abzuringen. Aber Sick, nicht im Stande oder nicht Willens, sein humoristisches Sendungsbewusstsein im Zaum zu halten, haut einen Kracher nach dem anderen raus und zerstört damit auch die noch die kleinste bild- oder textimmanente Pointe: "Ich kam, sah, sah long und immer longer." Es ist ein bisschen wie bei Ashton Kutchers Show "Punk'd". Die Verarschung war stets großartig, Kutchers peinlichen Kommentaren hingegen fehlte die Pointiertheit. Wenn man nicht witzig ist, soll man es eben lassen.

Bastian Sick aber scheint nicht nur das Gefühl zu haben, wahnsinnig lustig zu sein, sondern auch noch das Bedürfnis, seine Mitmenschen an seinem Humor teilhaben lassen zu müssen. Das wäre ja nicht einmal schlimm. Schließlich hat die Postmoderne viel schlimmere populärkulturelle Ekelhaftigkeiten hervorgebracht als Bastian Sicks "Zwiebelfisch"-Kolumne. Schlimm daran ist vielmehr der Erfolg seiner Texte. Mit "mehr als 100.000 verkauften Hörbüchern" der dritten Folge des Grammatikfaschismus-Sequels "Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod" wirbt KiWi für seinen Autor, über 80.000 Menschen besuchten seine Lesungen in den Jahren 2006 und 2007. So schlimm diese Zahlen sind, so bedrohlich die Begeisterung für Bastian Sick auch scheint, sie hat zumindest einen positiven Nebeneffekt. Schließlich ist damit einwandfrei belegt, dass die Deutschen - mit einigen rühmlichen Ausnahmen - tatsächlich ein humorloses Volk sind. Dafür zumindest kann man Sick - auf eine makabre Art und Weise - dankbar sein. Bleibt die Frage, warum die Deutschen, sprich: Sicks Leser, trotz ihrer Findigkeit auf der Suche nach Sprachirrtümern, so viel Gefallen an Sicks Sprache zu finden scheinen. Es mutet wie ein Himmelsgeschenk an, denn Sick selbst hat eine Antwort darauf. "Die poetischste Art, mit Sprache umzugehen, finde ich bei Udo Jürgens." Aha. Dem wäre wohl nichts hinzuzufügen.


Titelbild

Bastian Sick: Happy Aua. Ein Bilderbuch aus dem Irrgarten der deutschen Sprache.
Kiepenheuer & Witsch, Köln 2007.
128 Seiten, 8,95 EUR.
ISBN-13: 9783462039030

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