Killing Alfred Hitchcock

Gilbert Adairs Filmplauderei

Von Walter DelabarRSS-Newsfeed neuer Artikel von Walter Delabar

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Die großen Zeiten des englischen Kriminalromans sind vielleicht lange vorüber. Agatha Christie, achja, plaudernde Damen, deren Neugierde unersättlich ist und die keine Gefahr scheuen, um dem Verbrechen auf die Spur zu kommen. Einigermaßen beschauliche Szenerien in einem ländlichen England, das froh zu sein scheint, endlich dieses Empire losgeworden zu sein und damit diese elenden Expeditionen in eine Welt, die der in Sussex, den Midlands oder Essex so unerhört fern ist. Die Welt da draußen, das ist vielleicht noch London, in keinem Fall jedoch irgendetwas, was noch weiter weg und noch befremdlicher wäre.

Gilbert Adairs ausdrückliche Absicht ist es, diese Welt des englischen Konversationskrimis wiederzubeleben und in seinen feinen (wenn auch aufgeklärten) Simulationsstücken vorzuführen. Sagen wir so: Das ist ihm zweifelsohne gelungen. Derart scheinheilig harmlos kam schon lange kein "Art Kriminalroman" mehr daher, der im Übrigen mit Jochen Schimmang (der auch Autor ist, wir erinnern uns: "Der schöne Vogel Phönix. Erinnerungen eines Dreißigjährigen", 1979) einen Übersetzer von Rang und Ruf gefunden hat.

Dafür ist natürlich zuerst einmal viel zu reden: Da der "Stilvolle Mord in Elstree" als Fortsetzung von "Mord auf ffolkes Manor" angelegt ist, dürfen dieselben Hauptfiguren auftreten, zum einen der mittlerweile pensionierte Chefinspektor Eustace Trubshawe und zum anderen die Krimiautorin Evadne Mount. Die beiden angetagten Helden treffen sich in der Lounge eines Hotels zur Teezeit und frischen ihre Bekanntschaft vom Vorgängerfall wieder auf. Ohne echten Fall und mittlerweile verwitwet, ist es Eutace inzwischen ein wenig langweilig geworden in seinem Leben, während Evadne das ewige Krimischreiben auch nicht wirklich befriedigend zu sein scheint. Umso glücklicher ist die Wiederbegegnung nach zehn Jahren, auch wenn es eine Weile dauert, bis der eine zur anderen findet und das notwendige Duo gebildet ist, das dann stets gemeinschaftlich auftritt. Und bis dahin muss dann eben auch der echte Mord warten, den es aufzuklären gilt. Das Ganze spielt kurz nach dem Zweiten Weltkrieg, und die Behäbigkeit, die die Dekade zwischen 1945 und 1955 für heutige Zeitgenossen auszeichnet, spiegelt sich auch ein wenig im plauderverliebten Erzählfluss.

Adair scheint jedoch mit der Konstruktion seines Falles, der Einführung seiner Figuren und ihren Plaudereien nicht ausgelastet gewesen zu sein, denn er siedelt seinen Fall im Filmgenre an. Und eröffnet sich damit die Möglichkeit, das Rätsel um den Mord durch das Rätsel um die Entzifferung der einzelnen Figuren zu ergänzen. Denn Adair entlehnt sein Filmpersonal offensichtlich der Filmgeschichte, und im Zentrum steht, wie könnte es anders sein, Alfred Hitchcock als Wiedergänger mit dem Namen Alastair Farjeon.

Der Plot geht ungefähr so: Farjeon, genialer Regisseur mit zweifelhaften menschlichen Qualitäten, stirbt bei einem Brand, und mit ihm seine neueste Favoritin Patsy Sloots. Daraufhin übernimmt Farjeons Assistent Rex Hanway (schon der Name macht ihn verdächtig) die Regie im letzten Projekt des Meisters, was nach einigen Anlaufschwierigkeiten auch ganz gut zu gelingen scheint. Bis dann schließlich die Schauspielerin Cora Rutherford (wir dürfen uns an Margaret Rutherford erinnert fühlen, aber bitte nicht laut sagen, Ms Mount hört nichts gern, was auch nur entfernt mit Agatha Christie, ihrer Rivalin, zu tun hat) während der Dreharbeiten vergiftet wird. Da haben wir endlich den Mord.

Was den Täterkreis schnell einschränkt ist der Umstand, dass die zündende Idee, die den Mord überhaupt möglich gemacht hat (ein Glas Sekt muss im Streit der Filmfiguren von Cora Rutherford heruntergekippt werden), dem Regisseur erst kurz vor dem Dreh gekommen ist. Fünf Personen sind es schließlich, die in Frage kommen, und alle diese fünf Personen werden, wie es sich gehört, im Showdown nicht niedergeschossen, sondern im Kreis versammelt und mit ihren jeweiligen Aussagen, Motiven und Alibis konfrontiert. Das Stilmittel ist bekannt - Adair allerdings Einfallslosigkeit vorzuwerfen, zieht nicht, weil Nostalgie, und damit die Imitation einer bekannten und außergewöhnlich beliebten Konstruktion ja gerade sein Ziel war. In diesem Sinne ist die Auflösung des Falles eigentlich auch nicht wirklich überraschend, sondern gehorcht gleichfalls dem Nostalgiegebot. Allerdings kann man Adair nicht vorwerfen, er habe das Muster nicht einigermaßen intelligent variiert. Freunde des Hardboiled- und Serienkiller-Krimis werden, so kann man annehmen, wohl kaum zu dieser feinen literarischen Klöppelarbeit greifen. Aber auch für antike Wohnungseinrichtungen oder Oldtimer gibt es Interessenten, die nicht weniger das Recht haben, bedient zu werden, wie die Freunde der modernistischer Wohnstile und von Automobilen, die auf dem neuesten Stand der Technik sind. Seien wir also tolerant.


Titelbild

Gilbert Adair: Ein stilvoller Mord in Elstree.
Übersetzt aus dem Englischen von Jochen Schimmang.
Verlag C.H.Beck, München 2007.
301 Seiten, 18,90 EUR.
ISBN-13: 9783406563706

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