Ein Roman über einen Autor, der einen Roman schreibt

Joe Gores "Hammett" ist ein Meisterwerk

Von Georg PatzerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Georg Patzer

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Eigentlich ist er kein Detektiv mehr. Eigentlich hat Dashiell Hammett seinen Job bei der Pinkerton-Agentur längst aufgegeben, um Schriftsteller zu werden. Mit Erfolg. Der 34-Jährige, der dabei ist, das Krimigenre aufzumischen und ihm neue Impulse zu geben, ist gerade dabei, seine Meisterwerke zu schreiben, als er von seinem früheren Kollege Victor "Vic" Atkinson um Hilfe gebeten wird. Atkinson soll im Auftrag des Reformkomitees die politische Korruption in der Stadt untersuchen: Ein weites gefährliches Feld.

Hammett hat keine Lust, sich darauf einzulassen, weil er jetzt Autor ist. Wenig später liegt Vic Atkinson mit eingeschlagenem Schädel in der Gegend, und Dashiell Hammett ermittelt wieder. Jetzt aber geht es um Freundschaft und Rache: ",Ich rufe an, weil man Vic heute morgen hinter dem Missions-Bahnhof der Southern Pacific gefunden hat. Niedergeschlagen mit einem Baseballschläger oder etwas ähnlichem. Dann hat man ihn dort hingelegt.' [...] 'Hingelegt?' fragte Hammett wie betäubt. Seine Fingerspitzen, die den Hörer umklammerten, waren weiß geworden. 'Tot?' 'Toter hab' ich noch keinen gesehen.'"

Joe Gores' Roman "Hammett" (früher einmal übersetzt als "Hammetts letzter Fall") hat alle Zutaten eines hard-boiled-Krimis: ein harter Ermittler, ein süßes Mädchen, viel persönliche Moral, viel Korruption, eine Atmosphäre des Misstrauens und eine treffende, knappe, schnoddrige und manchmal witzige Sprache. Niemandem kann man so recht trauen, schon gar nicht den Auftraggebern, die selbst tief im Sumpf stecken. Polizisten und Gangster spielen sich gegenseitig die Bälle zu und sind alle nicht zimperlich, Zeugen werden ermordet, man versucht, auch Hammett einzuschüchtern. Der Roman endet mit einem klassischen Schluss, weil Hammett erst spät erkennt, wer dahintersteckt: "Und alles, weil er Amateur geworden war. Er hatte mit der Schreibmaschine gespielt und war ein blutiger Amateur geworden. Kein wirklicher Menschenjäger mehr. Er hatte es gewusst, als er sich über den verwüsteten Körper gebeugt hatte, draußen auf dem Friedhof."

"Hammett" ist auch eine Art historischer Roman, denn einige der Figuren des Romans haben wirklich gelebt: Hammett war wirklich 1928 in San Francisco und hat "Rote Ernte" bei einem Verlag untergebracht. "Der Fluch des Hauses Dain" erschien im Pulp-Magazin "Black Mask" und das Konzept für "Der Malteser Falke" war auch schon fertig. In einem Nachwort erzählt Joe Gores einiges über seine Recherchen, wie er den Personen, die ihm dabei begegnen, etwas anders arrangiert, ihnen ein neues Gesicht gibt oder überhaupt einen Charakter.

Und dann ist "Hammett" auch ein Buch über einen Autor, der ein Buch schreibt. Gores zeigt dem Leser nämlich auch den Entstehungsprozess von "Rote Ernte": Als Hammett noch eine Szene fehlt, geht er mit seiner kessen Nachbarin zu einem Boxkampf und lässt sich dabei zu einer Szene anregen: "Plötzlich ungeduldig, schob Dashiell Hammett die 'Black Mask'-Dezemberausgabe von 1927 zur Seite. Er brauchte mehr Komplikationen, eine zusätzliche Szene, in der gezeigt wurde, wie der Op in Poisonville alles in Aufruhr brachte, damit die bereits veröffentlichten Kurzromane zu einem richtigen Roman wurden." Ein wenig verändert, aber doch ganz passend fügt er sie in seinen Roman ein. Und denkt dabei immer darüber nach, ob das wohl passt.

So also schreiben Autoren, denkt der Leser. Aber auch das ist natürlich wieder eine Erfindung eines Autoren, nämlich Joe Gores, der vielleicht so schreibt, vielleicht aber auch nicht. Und auch Joe Gores war früher einmal Privatdetektiv. Der letzte Clou des Romans "Hammett" ist allerdings, dass die Methoden, die Hammett ausprobiert, im wirklichen Leben (des Romans) nicht funktionieren: ",Dein kleiner Trick hat nicht so gewirkt, wie du es dir gedacht hast', sagte der Op. 'In meiner Erzählung hat es aber geklappt.' 'Ja.' Er betrachtete Hammett nachdenklich. 'Nur, daß das hier nicht deine Erzählung ist.'"

Joe Gores hat einen wunderbaren Roman geschrieben, der es wirklich wert war, noch einmal neu aufgelegt zu werden. Die Komplexität der Konstruktion schiebt sich dabei nie in den Vordergrund. Der Leser taucht ein in eine Welt, die er aus den Romanen von Hammett und Chandler und den Verfilmungen mit Humphrey Bogart zu kennen glaubt - so spannend, witzig, überraschend ist das Buch. Ein kleines Meisterwerk.


Titelbild

Joe Gores: Hammett. Roman.
Übersetzt aus dem Englischen von Friedrich Hofschuster.
Unionsverlag, Zürich 2007.
317 Seiten, 9,90 EUR.
ISBN-13: 9783293204058

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