Über das Werden von Mädchen und Jungen

Armin Strohmeyr hat eine Biografie Sophie von La Roches geschrieben

Von Rolf LöchelRSS-Newsfeed neuer Artikel von Rolf Löchel

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

In der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts entwickelte der Stadtphysikus von Kaufbeuren eine zwar durchaus originelle, aber kaum haltbare Theorie darüber, wie es wohl kommt, dass in manchen Familien mehr Mädchen, in anderen hingegen mehr Jungen geboren werden. Beide Eltern haben ihren Anteil daran: Heiratet die Frau jungfräulich, während ihr Gatte zuvor bereits reichlich sexuelle Erfahrungen gesammelt hat, so gehen überwiegend Töchter aus der Ehe hervor.

Eine "krause Theorie" sei das, meint Armin Strohmeyr, was man durchaus verstehen kann. Er ist es auch, der das lesende Publikum über den sexualtheoretisierenden Physikus informiert. Es handelt sich nämlich um keinen anderen als Georg Friedrich Gutermann, den Vater Sophie von La Roches, die am 6.12.1730 als erste von zwölf Schwestern geboren wurde. Erst das dreizehnte Kind sollte ein Sohn sein. Über Sophie von La Roche, geborene Gutermann, hat Strohmeyr jüngst eine Biografie vorgelegt. Ob ihr Vater seiner Frau von einer Theorie über das Werden von Jungen und Mädchen erzählt hat, berichtet der Biograf nicht. Wohl aber, wie es sich für eine Biografie gehört, vom Lebensweg seiner Protagonistin von Kindesbeinen an bis ins hohe Alter hinein bis zum Sterben - und ein klein wenig über den Tod hinaus. Auf eine Unart nicht weniger Biografen verzichtet er dabei erfreulicherweise: die ausufernde Berichterstattung über die Lebensumstände und Werdegänge der Ahnen und Urahnen Sophie von La Roches.

Anderen der unter seinen Zunftkollegen üblichen Unsitten hängt er dafür umso stärker an: Zunächst wäre der völlige Verzicht auf Zitatnachweise und Belege zu nennen. Sodann, dass Strohmeyr seine Protagonistin nicht nur als Kind, sondern auch als erwachsene Frau und selbst noch als alte Dame dreist beim Vornamen nennt. Und schließlich schaut er ihr fast auf jeder Seite gleichermaßen über die Schulter wie auch ins Herz. Er weiß, wann sie "kichert", wann sie "sprachlos" und wann ihr "seltsam" ist, wann sie "lächel[nd]" zu Feder und Papier greift, wann sie sich mit Christoph Martin Wieland "Blicke" zuwirft und wann "Vater Wieland" seinen Sohn tadelnd ansieht. Aber vielleicht muss das alles so sein, um eine Biografie einem größeren Publikum gefällig erscheinen zu lassen.

Dem allerdings dürfte der nicht eben brillante Stil des Verfassers abträglich sein. Nur ein Beispiel schon der ersten Seiten sei hier angeführt: "Aber gerade wegen dieser frühzeitigen Hereinnahme des Kindes ins Erwachsenenleben werden besonders talentierte Kinder frühzeitig gefördert."

Zu solch missglückten Formulierungen tritt der gelegentliche Gebrauch überkommener Ausdrücke, wie "fühllos" oder "hinan", die sich mit der modernen "klammen" Kasse nicht so recht anfreunden wollen. Auch setzt Strohmeyr die Konjunktion "aber" gerne einmal sinnwidrig ein. So erklärt er Sophie Gutermanns Heirat mit "Georg Michael Frank, genannt La Roche", sei "eine Vernunftehe, aber zugleich eine kluge, nüchtern überlegte Wahl". Wieso "aber"? Und an anderer Stelle meint er: "Wieland liebt das Spiel mit dem Feuer. Aber er will und kann es offensichtlich nicht lassen." Wiederum: Wieso "aber"?

Gewiss, derlei stört das Lesevergnügen. Wer aber etwas über Leben und Werk Sophie von La Roches erfahren möchte, ist mit der vorliegenden Biografie ungeachtet solcher Schwächen nicht schlecht bedient.


Titelbild

Armin Strohmeyr: Sophie von La Roche. Eine Biografie.
Reclam Verlag, Stuttgart 2007.
303 Seiten, 19,90 EUR.
ISBN-13: 9783379008358

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