Eine Dame der Pariser Boheme

Evelyn Bloch-Danos facettenreiche Biografie über das Ehepaar Alexandrine und Emil Zola

Von Inga TilemannRSS-Newsfeed neuer Artikel von Inga Tilemann

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Paris um die Jahrhundertwende: die Zeit der Künstler, Intellektuellen, eine Zeit der Umbrüche. "Madame Zola und die Pariser Boheme" ist eine Biografie, in der nicht nur das Leben dieser Frau, sondern auch ihr soziales und geschichtliches Umfeld unterhaltsam rekonstruiert wird. Die Autorin Evelyn Bloch-Dano ist Literaturwissenschaftlerin und Mitarbeiterin in dem Literaturmagazin "Magazine littéraire". 1998 verlieh ihr die Zeitschrift "Elle" den "Großen Literaturpreis". Sie hat nun eine sehr detailliert recherchierte Biografie über die Frau geschrieben, die 38 Jahre ihres langen Lebens an der Seite des französischen Literaten Emile Zola verbrachte.

Die Arbeit der Autorin genügt wissenschaftlichen Ansprüchen, lässt sich jedoch leicht lesen. Das Leben der 86 Jahre alt gewordenen Alexandrine Zola, geboren 1839, wird ohne stilistische Schnörkel unterhaltsam erzählt. Was das Buch zu mehr als einer Biografie macht, sind die vielen Erläuterungen zum sozialen und geschichtlichen Umfeld dieser Lebensgeschichte. Vieles erfährt man zum Beispiel über die berühmten Freunde der Zolas: Manet, Flaubert oder Cézanne. Die Künstler diskutierten in regelmäßigen Treffen, die Madame Zola liebevoll als Gastgeberin vorbereitete, über ihre Zeit, entwarfen neue literarische Stile oder Maltechniken. Alexandrine Zola leitete den Haushalt und schuf ihrem Mann die Atmosphäre, die er für sein Schaffen benötigte.

Der Leser wird nebenbei über die literarische Strömung des Naturalismus informiert, die durch Emile Zola maßgeblich geprägt wurde. Erhellend sind vor allem die biographischen Werkanalysen. Die Erlebnisse und Charaktereigenschaften des Paares werden oft in Bezug zu Zolas Romanen gestellt. Man erfährt, welche Umstände Zola veranlassten, soziale Themen zum Schwerpunkt seiner Schriften zu machen.

Die Biografie gewinnt durch zahlreiche Zitate, vor allem aus Briefen, an Lebendigkeit. Der Leser erhält ein anschauliches Bild über die optimistische, fürsorgliche und liebevolle Madame Zola. Sie kam aus einfachen Verhältnissen, verdiente in der Jugend ihren Unterhalt mit Näharbeiten und entwickelte sich zu einer geschätzten und beliebten Dame der Pariser Boheme.

Alexandrines Jugendjahre werden eher knapp beschrieben, die Zeit nach der Hochzeit, beispielsweise Madame Zolas Tätigkeiten als Ehefrau, hingegen zu ausführlich. Die Ausführungen zur Speisekammer und zum Essensplan des Paares sind ziemlich belanglos. Andererseits geht die Hauptperson an anderen Stellen der Biografie, ihrer Rolle in der Partnerschaft entsprechend, völlig in den Schilderungen über ihren Mann unter. Besonders in der ausführlichen Darstellung der Dreyfus-Affäre droht die Protagonistin über viele Seiten hinweg ganz aus dem Buch zu verschwinden.

Insgesamt jedoch gelingt es dem Buch, das Interesse an der Situation der Künstler im Paris der Jahrhundertwende und an einer starken Frauengestalt zu wecken, die ihre Lebensvorstellungen mit bewundernswerter Zielstrebigkeit durchzusetzten vermochte.

Titelbild

Evelyne Bloch-Dano: Madame Zola und die Pariser Boheme.
Patmos Verlag, Düsseldorf 1999.
400 Seiten, 25,50 EUR.
ISBN-10: 3538070814

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