Die Italienische Reise der Adele Schopenhauer

Anderthalb Jahrhunderte nach seiner Niederschrift erscheint Adele Schopenhauers Florenz-Reiseführer

Von Rolf LöchelRSS-Newsfeed neuer Artikel von Rolf Löchel

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Im 19. Jahrhundert war das Patriarchat noch gefestigt und somit galt es als unbestritten, dass dem Mann im Haus der Status des Familienoberhaupts zusteht. Alleine schon angesichts eines solchen Familienbildes dürfte Heinrich Floris Schopenhauer wenig Gefallen daran gefunden haben, dass ihn sowohl seine Gattin Johanna wie auch die Kinder Adele und Arthur an Bedeutung überragten. Möglicherweise wäre es ihm ein Trost gewesen zu wissen, dass der Nachwelt wenigstens der philosophierende Filius das bedeutendste Familienmitglied zu sein scheint. Dieses Trostes hat Heinrich Schopenhauer allerdings gar nicht bedurft, erlebte er doch weder die literarischen Erfolge seiner Frau und - in geringerem Maße - seiner Tochter, noch den philosophischen seines Sohnes, denn er starb bereits 1805 (vermutlich durch eigene Hand). Und zu diesem Zeitpunkt waren es noch fünf Jahre hin, bis das erste Werk eines Mitgliedes der Familie Schopenhauer vors Publikum treten sollte: "Carl Ludwig Fernow's Leben" aus der Feder seiner Gattin. Weitere drei Jahre sollten vergehen, bis 1813 die Dissertation seines Sohnes unter dem Titel "Über die vierfache Wurzel des Satze vom zureichenden Grunde" in Druck ging.

Seine Tochter trat gar erst 1844 mit einer ersten eigenen Publikation hervor, den zweibändigen "Haus-, Wald- und Feenmärchen". Ein Jahr später folgte ihr ebenfalls zweibändiger Roman "Anna", und 1848 "Eine dänische Geschichte". Im Laufe des 20. Jahrhunderts wurden verschiedene Tagebücher und Gedichte aus ihrem Nachlass veröffentlicht. Doch erst heute wird dem Lesepublikum Adele Schopenhauers Mauskript für ein Buch "über Florenz und seine Kunst" vorgestellt. Dass der Text, den seine Autorin unvollendet lassen musste, da sie während der Niederschrift erkrankte und kurz darauf starb, nicht länger im Weimarer Goethe- und Schiller-Archiv vor sich hinschlummert, ist der an der University of Iowa tätigen Germanistin Waltraud Maierhofer zu danken, die ihn unter dem Titel "Florenz. Ein Reiseführer mit Anekdoten und Erzählungen" gemeinsam mit Schopenhauers "weitere[n] Aufzeichnungen über Italien" herausgegeben und mit einem erhellenden Vorwort sowie informativen Fußnoten versehen hat, die sich das eine ums andere Mal als notwendig erweisen. Wer wüsste denn schon, dass der Ausdruck "Messer" während der Renaissance ein "Höflichkeitstitel für Nachfahren von Adligen mit Landbesitz ohne eigenen Titel" war.

Wie die Herausgeberin überflüssigerweise betont, "will und kann" Schopenhauers Florenzbuch "keine Konkurrenz für Stadtführer sein". Eine anregende Lektüre bietet ihre Verbindung des seinerzeit gerade entstehenden Genres des Reiseführers mit der "'weibliche[n]' Tradition des Geschichtenerzählens" gleichwohl auch heute noch.


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Waltraud Maierhofer (Hg.): Florenz. Adele Schopenhauer, Reiseführer.
Verlag und Datenbank für Geisteswissenschaften, Weimar 2007.
261 Seiten, 21,00 EUR.
ISBN-13: 9783897395411

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