Der Meisterkomponist und die Frauen

Helmut Kraussers Roman "Die kleinen Gärten des Maestro Puccini"

Von Peter MohrRSS-Newsfeed neuer Artikel von Peter Mohr

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

"Ich bin am Ende und verzweifelt, meine Lage ist rettungslos verloren. Doria hat sich mit Sublimat vergiftet und jeden Moment erwarte ich die Nachricht ihres Todes. Sie können sich ausmalen, wie es mir geht. Ich bin völlig ruiniert. Dies ist das Ende meines Familienlebens, das Ende von Torre del Lago, das Ende von allem." Diese Klage des verzweifelten Meisterkomponisten Giacomo Puccini (1858-1925) aus Helmut Kraussers Roman "Die kleinen Gärten des Maestro Puccini" könnte selbst einer großen Oper entstammen.

Helmut Krausser, ebenfalls Verfasser einiger Libretti, hat in der Vergangenheit schon häufiger den künstlerischen Brückenschlag zwischen Musik und Literatur versucht - in seinem Monumentalepos "Melodien" und im später verfilmten Roman "Der große Bagarozy". Der Autor (Jahrgang 1964) wandelt nun auf den Pfaden von Peter Härtling und Dieter Kühn, die sich in ihren Erzählwerken auch schon häufig den Lebensläufen bekannter Künstler gewidmet haben. Auch die Methode ist identisch: Aus überlieferten Fakten und dichterischer Imagination entsteht ein kurzweiliges erzählerisches Konglomerat.

Im Puccini-Jahr (im Dezember steht der 150. Geburtstag an) bringt uns Krausser nun den großen Komponisten (unter anderem "La Bohème", "Turandot", "Tosca", "Madame Butterfly") als ein äußerst zerrissenes Individuum nahe. Auf der einen Seite steht der erfolgreiche und auch vermögende Musiker und Lebemann, auf der anderen Seite die sensible Künstlerseele, die schubweise von tiefen Depressionen heimgesucht wird.

Krausser breitet uns Puccinis Lebensweg als großen Opernstoff aus und zeigt den Maestro zwischen diversen Frauen. Eifersucht, Verleumdungen, Selbstmord, das sind die fundamentalen Bausteine dieser Romanbiografie.

Corinna, Sybil und Doria (jeder ist ein Kapitel des Romans gewidmet) sind die Frauen neben Puccinis krankhaft eifersüchtiger Gattin Elvira. Von Corinna trennt er sich im Zorn, die kunstbeflissene Sybil war über zwei Jahrzehnte mehr Muse als Geliebte, und dem Dienstmädchen Doria fällt der tragische Part zu.

Die Hausangestellte, die Puccini bei der Arbeit an "Madame Butterfly" brav mit Kaffee und Tabak versorgte, nimmt sich das Leben, weil ihr von Ehefrau Elvira ein Verhältnis mit dem Maestro unterstellt wird. Ausgerechnet mit jener Doria Manfredi hatte Puccini aber kein intimes Verhältnis, was eine Obduktion zweifelsfrei ergibt. Doria war im wahrsten Sinne des Wortes eine "unschuldige Seele". Puccini muss später viel Geld zahlen, um seine Frau Elvira vor einer Gefängnisstrafe wegen Verleumdung zu bewahren.

Das sind eigentlich Themen, aus denen heute die Boulevardpresse ihre "Herz-Schmerz-Geschichten" aus der Promi-Welt konstruiert. Es ist auch nicht zu leugnen, dass dieser Roman ganz stark auf die Emotionen zielt und einen (intellektuellen) kunstgeschichtlichen Voyeurismus befriedigt. Dennoch fühlt man sich ausgesprochen gut unterhalten von Helmut Krausser. Entstanden ist kein Puccini-Heiligenbild, sondern das Portrait eines eigenwilligen Egozentrikers mit Ecken und Kanten.


Titelbild

Helmut Krausser: Die kleinen Gärten des Maestro Puccini. Roman.
DuMont Buchverlag, Köln 2008.
382 Seiten, 19,90 EUR.
ISBN-13: 9783832179892

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