Propaganda im 18. Jahrhundert

Ein Sammelband zu Medien im Siebenjährigen Krieg

Von Kai KöhlerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Kai Köhler

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Der Siebenjährige Krieg steht, aus heutiger Sicht, zwischen den Kategorien. Tatsächlich ein Weltkrieg, in dem die frühen Kolonialmächte England und Frankreich um die Vorherrschaft kämpften, wurde er aus deutsch-preußischer Perspektive zumeist als der Überlebenskampf Friedrichs des Großen erinnert. War dies auch nicht das nationale Heldentum, das manche Historiker des 19. und frühen 20. Jahrhunderts Friedrich zuschrieben, so zeigten sich in diesem Krieg zum einen doch Formen des Territorialpatriotismus, die zu späteren nationalistischen Mustern überleiteten und ermunterte zum anderen der Krieg, der auch ein Kampf deutscher Staaten gegeneinander war, zu reichspatriotischen Konzepten. Als Kabinettskrieg geplant und geführt, achteten die an ihm beteiligten Mächte von Beginn an auf ihre Propaganda und zielten sie so auf eine Einbeziehung der Bevölkerung, die der spätere Nationalstaat perfektionieren sollte.

Der von Wolfgang Adam und Holger Dainat herausgegebene Band zum Siebenjährigen Krieg als Medienereignis fasst die Ergebnisse einer Tagung zusammen, die 2003 im Halberstädter Gleimhaus stattfand. Doch nicht allein deshalb ist die Mehrzahl der Beiträge in irgendeiner Weise auf Johann Gleims "Preussische Kriegslieder von einem Grenadier" bezogen - Gleims Rollengedichte in leicht durchschaubarer und bald auch durchschauter Autorfiktion waren im Positiven wie Negativen Modell für andere propagandistische Texte oder aber für die Verweigerung von kriegerischer Parteinahme.

Dabei weist der Band einen starken Akzent auf preußische oder doch norddeutsche Beiträge zur damaligen Diskussion auf. Zwar stellt Johannes Birgfeld mit Michael Denis auch eine kaisertreu-österreichische Sicht auf den Kriegsverlauf vor und überschreiten Roland Krebs mit seinem Aufsatz zu deutschen und französischen Theaterstücken wie auch Arnold Jacobshagen mit seinen Informationen zu Auswirkungen des Krieges auf das Musiktheater in Paris, Wien, Berlin und Dresden sogar den nationalgeschichtlichen Rahmen. Doris Schumacher, die sich Bildmedien zuwendet, legt jedoch ihren Schwerpunkt auf die preußische Kunst der Kriegs- und Nachkriegszeit. Hedwig Pompe untersucht die preußische Pressepolitik in den Wochen vor Kriegsbeginn und stellt die Widersprüche heraus, die unvermeidbar sind, wenn eine an geheimem Vorgehen orientierte Kabinettspolitik versucht, sich des modernen Mediums Zeitung, das auf Öffentlichkeit zielt, zu bedienen. Guido Heinrich untersucht weniger die propreußischen Kriegsgedichte Anna Luisa Karschs als vielmehr ihre kurzfristig erfolgreiche mediale Karriere, die auf einer auf ihre Person fixierten scheinbaren Authentizität beruhte. Dieses Konstrukt führte zu einem konflikthaften Briefwechsel mit Gleim, der begeisterte Zuwendung zwar als literarische akzeptieren mochte, doch als Freund Karschs Distanz zu wahren versuchte. Auf Distanz von der Kriegsbegeisterung Gleims wie Karschs beharrte, wie Ernst Rohmer nachweist, Johann Peter Uz, der reichspatriotische Ideen der territorialpartikularistischen Heldenbegeisterung für Friedrich vorzog, ohne indessen den Konflikt in der Öffentlichkeit auszutragen. Christian Felix Weiße setzte sich in seinen gleichwohl militaristischen "Amazonen-Liedern" von Gleims Modell ab. Gerhard Sauder stellt überzeugend den gendertheoretischen Stellenwert der Gedichte dar, obgleich tradierte Geschlechterrollen hier vielleicht weniger gesprengt sind als er vermutet und die Amazone bei Weiße fast stets auf den Geliebten fixiert bleibt. Auf Preußen bezogen ist auch der Beitrag Jürgen Fohrmanns, der die mediale Konstruktion von Friedrichs Ruhm wie Nachruhm aufzeigt.

Ein Schwerpunkt des Bandes liegt auf den Kriegsstücken Gotthold Ephraim Lessings. Martin Kagel weist die historischen Konflikte auf, in denen sich der entlassene Major von Tellheim bewegt, und liest "Philotas" als Plädoyer für ein besonnenes Heldentum. Dem widerspricht Gisbert Ter-Nedden in einem ausführlichen und ausführlich gegen die bisherige germanistische Forschung polemisierenden Aufsatz zum "Philotas". Ter-Nedden liest das Stück ganz unter dem Blickwinkel der Handlungskonstruktion, die das Unsinnige des Selbstopfers, das der Titelheld so begeistert bringt, erweise. "Philotas" stelle mithin keine Kriegspropaganda dar, aber auch keine pazifistische Intervention, sondern die Analyse einer dilemmatischen Konfliktproblematik, innerhalb derer die Unmöglichkeit, aufzugeben, zum schlimmstmöglichen Ende führe. Dagegen aber wäre einzuwenden, dass die Position Philotas' gleichzeitig besser und schlechter begründet ist als Ter-Nedden meint: Einerseits beruht seine Entscheidung zum Selbstmord gerade nicht auf einer Serie von Trugschlüssen, sondern ist sie immanent schlüssig hergeleitet. Andererseits verschiebt Philotas' Körperinszenierung die Figur zuletzt derart ins Wahnhafte, das sich eine Konstellation von Handlungskalkül und irrem Enthusiasmus ergibt, die ästhetisch und nicht allein logisch zu bearbeiten wäre.

Spätestens seit Hans-Martin Blitz' Dissertation "Aus Liebe zum Vaterland" aus dem Jahr 2000 ist das Klischee vom harmlosen Patriotismus im 18. Jahrhundert, der erst in den Napoleonischen Kriegen eine Wendung ins Nationalistische erfahren habe, ins Wanken geraten. Doch besteht noch lange keine Einigkeit, seit wann, wo oder auch nur: nach welchen Kriterien von Nationalismus zu sprechen wäre. Im vorliegenden Band werden dazu sehr unterschiedliche Positionen bezogen. Auf der einen Seite blickt Hans Peter Herrmann, der bereits in einer Reihe wichtiger Beiträge auf Erscheinungsweisen eines literarischen Nationalen vor 1800 aufmerksam gemacht hat, weit zurück: Bereits in protestantischen Flugschriften des 16. Jahrhunderts weist er nationalistische Sichtweisen nach und zeigt so auch, dass der Siebenjährige Krieg kein ganz neuartiges Medienereignis war. Auf der anderen Seite erscheint Denis' Kriegspropaganda bei Johannes Birgfeld als dezidiert nicht-national. Wahrscheinlich war im vor-josephinischen, ethnisch gemischten Habsburgerreich auch keine andere Position möglich und es wäre zu fragen, ob durch die Bevorzugung der deutschen Sprache in den späteren Reformen Josephs II., wie auch immer pragmatisch begründet, nicht schon der Reichszerfall von 1918/19 vorgezeichnet war.

Eine andere Ebene der Problematik berührt der Beitrag von Ruth Florack zu nationalen Stereotypen in Dichtung und Flugschriften. Florack unterscheidet erstens einen nicht-nationalistischen Spott gegen den Feind, der sich in Kriegsschriften lediglich überkommener Stereotypen bediene, von zweitens einem positiven deutschen Selbstbild bei den Dichtern des Göttinger Hain, das zwar mit einer aggressiven antifranzösischen Abwehr verbunden sei, doch primär der literarischen Selbstverortung und Selbstbehauptung diene. Erst in der antinapoleonischen Dichtung zeige sich eine nationalistische Feinderklärung.

Vielleicht ist diese Differenzierung zu feinsinnig. So legitim es im Krieg auch sein mag, den Feind zu verspotten: Dies mittels negativer Stereotypen vom Fremden zu tun, impliziert eine Hochwertung des eigenen ethnischen Kollektivs - und eben das ist Nationalismus. Sicher wollten sich die Hainbündler ihrer Gruppensolidarität vergewissern und sich auf dem literarischen Markt positionieren: Wenn sie aber auf die Idee verfielen, dies, anders als viele Newcomer vor und nach ihnen, gerade durch nationale Muster zu erreichen, agierten sie eben als Nationalisten. Die Zitate, die Florack reichlich ausbreitet, widerlegen ihre These.

Ganz dem Thema der Medialität gewidmet ist der Beitrag von Bernhard Jahn. Am Beispiel der Schlacht von Lobositz von 1756, die immer wieder, bis hin zu Peter Hacks, literarisiert wurde, weist er überzeugend nach, dass der Krieg als Medienereignis keine Neuerung des späten 20. Jahrhunderts ist. Das beginnt bei der Auseinandersetzung in der zeitgenössischen Öffentlichkeit, wer bei Lobositz eigentlich gewonnen habe: Je nachdem, ob man die höheren preußischen Verlustzahlen oder die strategischen Folgen des Treffens als Kriterium nimmt, ergeben sich unterschiedliche Ergebnisse. Medial ist die Schlacht aber auch, indem die Beteiligten sich im Kampf und in der späteren Wiedergabe sich unvermeidlich der Medien bedienen. Der Feldherrenhügel, von dem aus König oder Feldmarschall den Überblick besitzen und allwissend ihre Befehle erteilen, findet sich kaum je da, wo man ihn brauchen könnte; vielmehr stehen Hügel und Bäume im Weg und hindern nach Beginn der Schlacht Staub und Pulverdampf die Sicht. Der Befehlshaber bekommt darum seine Informationen nur vermittelt. Auch sein Infantrist erlebt, ohne Chance auf einen Überblick, die Schlacht als Chaos. Dreck und Kugeln spritzen und fliegen umher, wenn nicht gar das Blut des Nebenmanns. Jahn vermittelt einen Überblick über die verschiedenen Ansätze, dies sprachlich oder bildlich wiederzugeben. Dies alles entbehrt der Unmittelbarkeit und steht so unter dem Verdacht ideologisierender Verklärung. Amedial jedoch waren und sind nur der eigene Schmerz und der Tod, ein, so Jahn, "zynisches Paradox", das "nicht tröstlich" sei.


Titelbild

Wolfgang Adam / Holger Dainat (Hg.): "Krieg ist mein Lied". Der Siebenjährige Krieg in den zeitgenössischen Medien.
Wallstein Verlag, Göttingen 2007.
416 Seiten, 38,00 EUR.
ISBN-13: 9783835301979

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