Zu gedankenverloren

Stefanie Geigers Roman "Der Eisfürst" ist kein Meisterstück

Von Thorsten SchulteRSS-Newsfeed neuer Artikel von Thorsten Schulte

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Stefanie Geiger präsentiert uns ihren ersten Roman "Der Eisfürst" die kurzweilige, aber nicht unkomplizierte Geschichte einer 31-jährigen Ich-Erzählerin, die ihre Mutter nach ihrer eigenen Herkunft befragt und dabei ein kompliziertes Beziehungsgeflecht aufdeckt.

Sie stößt den Leser in ein Netz von selbstreflxiven Monologen, Erzählungen der Mutter und eigenen Versionen des Geschehenen. Man lernt Sven kennen, der eigentlich Physikstudent ist, aber tatsächlich den ganzen Tag faulenzt. In seiner Wohnung geht der stets unangenehm riechende Karmuel ein und aus, der Bleistifte kauend versucht, ein Schriftsteller zu sein und dabei dem Wahnsinn verfällt. Karmuel glaubt eine der "in eines seiner abgegriffenen Schulhefte hineingeschriebenen" Figuren auf der Straße getroffen zu haben und löscht diese auf dem Papier aus, um sie loszuwerden. Als er den Mann dann nicht mehr trifft, glaubt er, seine Figur auch in der Realität getötet zu haben.

Seltsam nur, dass diese Vorgeschichte wenig mit der weiteren Handlung des Romans zu tun hat. Denn urplötzlich schwenkt die Geschichte von den Studentengeschichten der Mutter - also von Sven, Karmuel und dem Wahnsinn - zum Vater der Erzählerin, dem "Eisfürsten". Die bisherigen Figuren spielen keine Rolle mehr und tauchen auch nicht mehr auf. Warum der Leser sich mit ihnen beschäftigen musste, ohne das Gefühl zu bekommen, sie kennengelernt zu haben, bleibt ein Rätsel. Eigentlich beginnt der Roman erst im zweiten Teil mit dem Auftritt von "Karl M.", dem "Eisfürsten".

Die Erzählerin versucht dort das Haus der mittlerweile verstorbenen Mutter zu verkaufen. Und sie wird von ihrem Vater in ein schmuddeliges Hotel auf Sylt eingeladen. Sie lernt dabei eine der vielen Liebhaberinnen des Vaters kennen - ein "zartfleischiges Beutetier". Und so kalt, wie der Leser es erwartet, ist der "Eisfürst", der offenbar die Nachfolge seiner Hamburger Eisfirma regeln möchte, gar nicht. Er bietet seiner Tochter die Nachfolge an - und damit einen Halt, einen "geordneten Raum", ein festes Gehalt. Doch die Ich-Erzählerin wendet sich am Ende ab.

Die 34-jährige Stefanie Geiger promoviert derzeit über die Wiener Schriftstellerinnen Vicki Baum und Gina Kaus. 2002 gewann sie den dritten Preis beim "Allegra-Wettbewerb" und wurde 2005/06 zum "textwerk"-Seminar am Literaturhaus München eingeladen. Ihr Roman-Debüt ist jedoch kein Meisterwerk. Das Buch ist schnell verschlungen, was aber bleibt? Nicht viel. Die Figuren bleiben blass. Es werden fremde Erinnerungen willkürlich aneinandergereiht. Stefanie Geiger arbeitet mit sehr ruhiger Sprache, diskret und durchaus poetisch, aber etwas zu "gedankenverloren" und dabei letztlich doch "bewegungslos", ganz so, wie es über den Monologen der Ich-Erzählerin steht: Das Ich - "Verschlusssache".


Titelbild

Stefanie Geiger: Der Eisfürst. Roman.
Verlag C.H.Beck, München 2008.
120 Seiten, 14,90 EUR.
ISBN-13: 9783406570308

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