Feenstaub in den Synapsen

"Gespräche über Bewusstsein": Susan Blackmore stellt Hirnforschern und Kognitionswissenschaftlern die Gretchenfrage

Von Oliver PfohlmannRSS-Newsfeed neuer Artikel von Oliver Pfohlmann

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

"Nun sag', wie hast du's mit dem Zombie? Hältst du es für möglich, dass es Wesen geben könnte, die uns nicht nur körperlich völlig gleichen, sondern auch sprechen und handeln wie wir - aber alles ohne "Ich", ohne Bewusstsein?" Mit Gretchenfragen wie dieser konfrontiert Susan Blackmore seit Jahren für die BBC Hirnforscher, Neuropsychologen und Kognitionswissenschaftler auf der ganzen Welt. Ihre Gesprächspartner sind auch seitens der Philosophen durchweg den empirischen Naturwissenschaften zuzurechnen, die Auswahl ist also einseitig. Zu den hierzulande bekannteren Namen gehören Daniel Dennett, Thomas Metzinger, John Searle, Patricia und Paul Churchland, Roger Penrose sowie der zwischenzeitlich verstorbene Mit-Entdecker der DNS, Francis Crick.

Blackmores jetzt bei Suhrkamp gesammelt erschienenen "Gespräche über Bewusstsein" kommen einer unfreiwilligen Selbstentzauberung der Hirnforschung gleich - so widersprüchlich fallen mitunter die Antworten der Vertreter der selbst ernannten neuen Leitdisziplin der Humanwissenschaften aus, so offen gestehen viele der Befragten ihre Ratlosigkeit ein, wo es um die Frage nach der Beziehung zwischen dem Ich und seinem Gehirn geht. Lesenswert und anregend ist die Lektüre gleichwohl. Was auch daran liegt, dass sich Susan Blackmore, hierzulande bekannt geworden mit ihrer Studie über kulturelle Evolution, "Die Macht der Meme", als sympathisch unorthodoxe Gesprächspartnerin präsentiert. Als ihr der 2001 verstorbene chilenische Biologe Francisco Varela von buddhistischen Mönchen berichtet, die ihre Aufmerksamkeit volle 20 Minuten lang fokussieren können, entgegnet Blackmore ungerührt, sie meditiere selbst seit Jahren und schaffe es, ihr Bewusstsein 30 Minuten lang ruhig zu stellen, aber "bis jetzt ist noch nichts Weltbewegendes dabei herausgekommen."

Warum für die Bewusstseinsforschung Zombies so wichtig sind, ist schnell erklärt. Wer in diesem Gedankenexperiment die Möglichkeit der Existenz von Zombies zugesteht, räumt ein, dass für ihn das Ich etwas vom Gehirn Unabhängiges ist. Wer die Vorstellung ablehnt, für den ist das Bewusstsein nur eine Funktion der Gehirnzellen: Jemand, der spricht und handelt wie wir, hat dann entweder auch Bewusstsein - oder wir sind alle Zombies. Eine Position, die ganz dem materialistischen Forschungsprogramm entspricht, das schon Mitte des 19. Jahrhunderts verkündete, das Verhältnis zwischen Gehirn und Bewusstsein entspreche dem zwischen Nieren und Urin - kein geringer Abstieg für das einstige fundamentum inconcussum der Philosophie.

Zu den Forschern, die Zombies für vorstellbar halten, gehört der Australier David Chalmers, der den Begriff des "schwierigen Problems" geprägt hat. Für Chalmers bleibt selbst dann, wenn alle Funktionen des Gehirns (die "leichten" Probleme) erklärt werden können - Sehen, Denken, Fühlen und so weiter - noch etwas übrig, das nicht erklärt werden kann, eben das Bewusstsein von alledem, die subjektive Erlebnisqualität, für ihn ein "Grundmerkmal der Welt".

Für andere Forscher ist das Bewusstsein eher ein Ärgernis. Für den Kanadier Christof Koch zum Beispiel. "Das sind doch bloß [...] Ionen, Natrium-, Kalium- und Chlorid-Ionen, die durch die Gegend spritzen. Warum sollen die weh tun?" Wie viele seiner Kollegen verweist er auf den Vitalismus um 1900: Damals glaubte man, es müsse so etwas wie eine geheimnisvolle "Lebenskraft" geben, die die Organismen am Leben erhielte, heute kommt die Biologie prima ohne sie aus. Er spekuliert darauf, dass sich eines Tages auch das "schwierige Problem" von selbst erledige und sucht derweil nach "neuronalen Korrelaten" für einzelne Gehirnfunktionen. Was wiederum John Searle für aussichtslos hält, da für ihn das Bewusstsein ein Ergebnis der gesamten Hirnaktivität ist, also aller 10 hoch 11 Neuronen.

Lässt sich das Bewusstsein nur erklären, wenn man es allein von "außen" untersucht (Crick, Dennett), oder muss man auch die Ich-Perspektive berücksichtigen (Varela, Searle)? Ist das Verhältnis von Bewusstsein und Gehirn das einer "Korrelation" (Susan Greenfield) oder ist das wenig mehr als ein "sprachlicher Trick", der über das eigene Unwissen hinwegtäuschen soll (Blackmore)? Verbirgt sich das Geheimnis des Bewusstseins in der Konzentration der Kalzium-Ionen (Crick), oder ist das Ich nur ein "Scheinproblem", so irreführend wie das scheinbar ewig brennende Licht im Kühlschrank (Kevin O'Regan)? Versteckt sich der freie Wille in der "Quantenkohärenz der Mikrotubuli" der Neuronen (Roger Penrose, Stuart Hameroff), oder sind die Quanten bei dieser Frage so bedeutsam wie "Feenstaub in den Synapsen" und das Gehirn nur eine "kausale Maschine" (die Churchlands)? Handelt es sich bei der Seherfahrung der Röte "um ein spezielles Aktivierungsmuster der Gegenfarbenzellen im CGL beziehungsweise V4" (die Churchlands), oder hat "diesbezüglich niemand auch nur die geringste Ahnung" (Chalmers)?

Vielleicht doch Letzteres - darauf läuft zumindest das Resümee der Herausgeberin hinaus. Die eigentlich triviale Einsicht, dass Neuronen Impulse feuern, aber nicht denken, sucht man hier vergebens, stattdessen werden ein ums andere Mal die physische und psychische Ebene miteinander vermischt. Da es offenbar schon daran mangelt, sich auf eine überzeugende Definition von Bewusstsein zu einigen, schlägt die vermeintliche hard science rasch ins Irrationale um, etwa wenn David Chalmers spekuliert, ob auch ein Thermostat oder gleich das ganze Universum Bewusstsein habe. Selbstwidersprüche werden sichtbar, wo es um die Frage nach dem freien Willen geht: Der Amerikaner Daniel Dennett etwa fordert eine deterministische Theorie ohne Ich-Perspektive; gefragt, ob er an den freien Willen glaube, antwortet er dennoch mit einem "Ja". Erfrischend konsequent erscheint da Susan Blackmore selbst, die den Glauben an ein frei entscheidendes Ich längst aufgegeben hat: "Wenn ich in ein Restaurant gehe, denke ich wirklich: 'Wie interessant, da ist die Speisekarte. Ich bin gespannt, was sie sich aussuchen wird.'" Dann mal guten Appetit.


Titelbild

Susan Blackmore: Gespräche über Bewußtsein.
Übersetzt aus dem Amerikanischen von Frank Born.
Suhrkamp Verlag, Frankfurt a. M. 2007.
380 Seiten, 26,80 EUR.
ISBN-13: 9783518584842

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