Zu dieser Ausgabe

In ihrem 2007 erschienenen Buch "Geschichte im Gedächtnis. Von der individuellen Erfahrung zur öffentlichen Inszenierung" konstruiert die Konstanzer Gedächtnisforscherin Aleida Assmann eine kurze Typologie der "Generationen" des 20. Jahrhunderts. Bei derjenigen von 1968 diagnostiziert die Literaturwissenschaftlerin eine "Identitätsverweigerung", die auf einem "Zerrbild" eines "aggressiven Nationalismus" beruht habe. Demnach hätten die Vertreter jener Generation zu kurz gedacht, als sie annahmen, in ihrem Protest das Faktum abwehren zu können, dass sie als Kinder der Nazi-Generation ein unweigerlicher Teil des Kontinuums der deutschen Geschichte blieben.

Jürgen Habermas' "Verfassungspatriotismus" als alternative Form eines staatsgebundenen Selbstverständnisses, das aus Assmanns Sicht aus dieser 'Abwehr' der Kategorie einer deutschen "Nation" nach 1945 hervorging, hätte gar nicht funktionieren können, urteilt die Professorin schroff: "Für eine Verfassung, die man nicht errungen hat, sondern die einem unter beschämenden Umständen geschenkt wurde, kann man grenzenlose Dankbarkeit, aber keine patriotischen Gefühle hegen."

Derartige Statements in Büchern angesehener Koryphäen wie Assmann zeigen an, wie salonfähig die Konstruktion eines 'neuen' Nationalismus der Berliner Republik geworden ist - und wie wenig das, was man dieses Jahr unter dem Label "1968" auf verschiedenste Weise erinnert, in diese Weltsicht, die von einer 'selbstbewussten' und angeblich aufgeklärteren deutschen Nation schwadroniert, noch hineinpasst.

Doch ist "'68" damit wirklich 'erledigt'? Die Augustausgabe unserer Zeitschrift literaturkritik.de versucht bereits zum zweiten mal in diesem Jubiläumsjahr, ein differenzierteres Spektrum von Meinungen über "'68" zu dokumentieren. Literaturkritik.de hat das Thema immer wieder aufgegriffen und bereits im Januar 2008 mit einem entsprechenden Schwerpunkt den 40. Geburtstag von "1968" eingeläutet.

Eine erhellende Lektüre der vielen neuen Artikel wünscht:
Ihr
Jan Süselbeck