Machos in Mexiko

Rolo Diez lässt Männerherzen höher schlagen...

Von Walter DelabarRSS-Newsfeed neuer Artikel von Walter Delabar

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

... wenn sie denn auf so etwas stehen. Carlos Hernandez ist Ermittler in Mexico City, einer der besten natürlich. Außerdem hat er zwei Frauen, eine Reihe von Kindern, ist extrem eifersüchtig, säuft wie ein Loch (am liebsten eiskaltes Bier), ist korrupt bis auf die Knochen, immer knapp bei Kasse, unzuverlässig ohne Ende und hat auch noch eine große Klappe. Hernandez ist also so etwas wie ein Auslaufmodell in Sachen Mann am Anfang des 21. Jahrhunderts, und eigentlich kann man so etwas nicht wirklich mögen. Vielleicht unter dem Aspekt multikultureller Varianten? In anderen Ländern und Kulturen verhalten sich Menschen - auch Männer - schließlich anders als in den kalten Kulturen der Industrieländer der Nordhalbkugel. Vielleicht auch unter dem Aspekt, dass im Zeichen des internationalen zivilisatorischen Verfalls anachronistische Verhaltensmodelle neue Konjunktur haben? Vielleicht ist das alles auch nur ironisch und dick aufgetragen. Wer kann das wissen?

Carlos Hernandez soll die Leiche einer jungen Frau nach Tijuana beleiten und dort dafür sorgen, dass das Ganze kein allzu großes Aufsehen erregt. Dies will aber nicht wirklich gelingen, weil Hernandez die Leiche einem jungen Kriminellen überlassen muss, der anscheinend lebenslang in die Unglückliche verliebt war.

Das Ganze findet auf dem Terrain der mexikanischen Drogenkartelle statt, die teils mit, teils gegen die Polizei arbeiten, um sich gegen die harte Konkurrenz durchzusetzen. Nach Mexiko City zurückgekehrt, wird Hernandez erneut auf den jungen Mann angesetzt, der - kaum gefunden - schon tot ist. Merkwürdig ist, dass es offensichtlich der erfolgreichen Suche Hernandez' bedurft hat, um an den jungen Pancho heranzukommen. Und damit beginnt der Showdown: Hernandez kommt einem Ring korrupter Cops auf die Spur und liefert sie alle ans Messer. Das Ganze geht ruckzuck über die Bühne, sogar den zwischenzeitlich auf ihn fallenden Verdacht kann Hernandez schnell wieder zerstreuen und hat dabei auch noch genügend Gelegenheit, die wahren Täter zu entlarven und ihrer Strafe zuzuführen.

Dieses einigermaßen überschaubare Handlungsgerüst, in dem angebliche Plausibilität von größerer Bedeutung ist als belastbare Beweise, ist eingebettet in die umfänglichen Anstrengungen, die Hernandez unternimmt, um seine Untergebenen bei der Stange zu halten, den nächsten Stich zu landen, das nächste Bier zu beschaffen, zwischen eifersüchtiger Ehefrau und beleidigter Geliebten hin und her zu pendeln, seinen Chef zufrieden zu stellen und überhaupt irgendwie durchs Leben zu kommen.

Inszeniert als "machistisches" Chaos verliert sich der Text von Diez in Abschweifungen und in den Arrangements seines männlichen Helden. Nehmen wir das Ganze als Satire auf Männer mit virilem Überschuss, dann ist sie ein wenig abgedroschen; ist es hingegen als überzogenes Mexiko-Klischee gedacht, fragt man sich, wozu das dienen soll.

Bleiben also nur wenige Alternativen, mit denen Diez' Krimi einigermaßen lesenswert wird. Das mag nun freilich auch daran liegen, dass Diez einem Muster folgt, das in europäischen Ländern nicht bekannt genug ist, um es in seiner Modulation erkennen und genießen zu können. Soll also der hard boiled Krimi mexikanischer Machart durch den Kakao gezogen werden, ist das vielleicht gelungen - nur wer kennt solche Texte hierzulande und weiß mit diesen Referenzen etwas anzufangen? Zwar gibt es mittlerweile auch im deutschen Sprachraum eine Reihe übersetzter lateinamerikanischer Krimis, dennoch wirkt der Text isoliert.

Das liegt vor allem daran, dass nicht wirklich entscheidbar ist, welches Profil der Krimi haben soll. Dualistisch betrachtet: Übertreibt er insbesondere den Machismus, um ihn lächerlich zu machen, oder bedient er ihn, um Kritik zu üben?

Damit wird die Qualität des Textes unentscheidbar. Er wird zum Phänomen, zum Sonderfall, der nicht generalisiert werden kann, oder eben zum misslungenen Roman, der nur mit einigem Glück den Weg in die Übersetzung gefunden hat. Vielleicht ist er aber auch nur ein schlichtes Exemplar von B-Literatur, die das Genre nicht schlechter macht, sondern in ihrer Schlichtheit und Geschmacklosigkeit oft besondere Perlen hervorgebracht hat: Wie "Das Ding im Sumpf": Was seinerzeit ein miserables Stück Kino, ist aber heute eine Sternstunde des frühen Horrorfilms, ein Film also, dem man gerade seine inszenatorischen und visuellen Schwächen als Qualität abzunehmen bereit ist. Aber bis zu einem solchen Status ist es für Diez' Roman noch ein weiter und unsicherer Weg.


Titelbild

Rolo Diez: Wüstenstaub. Roman.
Übersetzt aus dem Spanischen von Horst Rosenberg.
Distel Verlag, Heilbronn 2008.
262 Seiten, 12,80 EUR.
ISBN-13: 9783923208807

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