Meisterhaft in der Schwebe

Judith Kuckart schreibt ihren ersten Kriminalroman

Von Georg PatzerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Georg Patzer

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

"Glück bemerkte Robert immer erst in der Zeit nach dem Glück, als Mangel. Er war zu langsam für die großen Gefühle. Genau im Hier und Jetzt zu sein, das war für Robert Mandt immer eine Geschwindigkeitsüberschreitung gewesen." So geht es ihm noch heute. Seit einem Jahr trauert er seiner Frau Isa hinterher, die er vor vielen Jahren in einer Verkehrskontrolle kennengelernt hatte. "Sie war auch blond gewesen, damals. Ein intelligentes Blond, dachte er...". Und jetzt kommt Marga Burg, um eine Vermisstenanzeige aufzugeben: Ihr Freund ist verschwunden, einfach in eine Geisterbahn gestiegen und nicht wieder herausgekommen. Auch sie ist blond: "Aus dem Kragen wuchs ein Mädchennacken, und das hochgesteckte Haar war blond, mit einem Ton Asche."

Robert Mandt ist Polizist, also ermittelt er. Er ist ein großer Leidender, der nicht so recht weiß, wo er mit sich hin soll, und ein einsamer Mann, also verliebt er sich. In seine Zeugin, die ihm nachreist, als er auf eine Vortragsreise über "Kälteidiotie" geht - und mit der er eine romantische, merkwürdige, manchmal seltsam distanzierte Beziehung eingeht. Denn so ganz wird er aus ihr auch nicht schlau. Ernst und verwunschen zugleich ist sie für ihn. Merkwürdig ist der Fall, und merkwürdig ist auch sie. Denn kurz nachdem ihr Freund verschwunden ist, ist sie mit Schaustellern durch das Land gereist.

Judith Kuckart hat einen feinen, seltsam mystischen, liebevoll realistischen, märchenhaft-poetischen Kriminal- und Liebesroman geschrieben, wie es nur die Großen der Literatur können. Zart versponnen sind die Fäden, mit denen sie die Hauptpersonen umgarnt, verwirrend ist nicht nur die Krimihandlung, sondern auch die Liebesgeschichte, geheimnisvoll sind manche ihrer Sätze, die die Szenen beleuchten. Nie erklärt sie etwas, lässt vieles in der strahlenden Düsterheit ihrer kondensierten Atmosphäre schweben, so dass sich vage Bilder ergeben, die aber trotzdem gefühlsmäßig absolut klar sind.

Meisterhaft bleibt Kuckart in der Schwebe zwischen ihren verschiedenen Ebenen, die sich stets gegenseitig durchdringen. In prägnanten, bildhaften, den Leser aus dem platten Zusammenhang stürzenden Sätzen charakterisiert sie ihre Figuren, wie es nur wenige können: "Kurz dachte er, sie hinke. Aber das war es nicht, sie war einfach nur ernst."

Natürlich wird auch der Fall aufgeklärt, und natürlich hat auch die Liebe ein seltsam glückliches Ende. Aber wie Kuckart auf dieses Ende gradlinig mäandernd, präzise und vage gleichzeitig zusteuert, macht ihr so schnell niemand nach.


Titelbild

Judith Kuckart: Die Verdächtige. Roman.
DuMont Buchverlag, Köln 2008.
285 Seiten, 19,90 EUR.
ISBN-13: 9783832180720

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