Für Freunde literarischen Grauens - Zum 200. Geburtstag Edgar Allan Poes veröffentlicht der Insel Verlag eine neue Gesamtausgabe seiner short stories

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Edgar Allan Poe, am 19. Januar 1809 in Boston geboren, hatte ein kurzes und bewegtes Leben. Sehr früh verlor er seine Mutter und kam zu dem wohlhabenden Paar Mr. und Mrs. John Allan in Pflege. Doch sein Status in der Familie der Allans war unsicher: Da er niemals adoptiert wurde, war er besonders vom Wohlwollen seines Pflegevaters abhängig.

So stand Mr. Allan Poes frühen literarischen Ambitionen äußerst kritisch gegenüber, und Poe erhielt während seines Studiums kaum genug Geld zum Leben. Er verfiel dem Spiel und dem Alkohol. Poe ging als freier Schriftsteller nach Boston und später nach New York, er lebte aber weiterhin in ärmlichen Verhältnissen. 1836 heiratete er seine blutjunge Kusine Virginia Clemm und wurde Redakteur bei der "Southern Literary Messenger", was den Anfang der Jahre Poes reger literarischer Tätigkeit markiert. Er arbeitete bei verschiedenen Zeitungen, schrieb weiterhin an seinen Gedichten und Erzählungen und verschaffte sich so Anerkennung als Schriftsteller. Nach dem frühen Tod seiner Frau 1847 ging es für Poe beruflich und privat wieder bergab, bis er 1849 im Alter von nur 40 Jahren an einer ungeklärten Todesursache starb.

Allen Widrigkeiten zum Trotz entwickelte Poe eine Theorie der amerikanischen short story und gilt bis heute als Meister seines Fachs: Berühmte Erzählungen, so etwa "Ligeia" oder "Das verräterische Herz", die häufig aus der seltsam verzerrten Perspektive einer offenbar geistesgestörten und fragwürdigen Figur erzählt werden, bleiben Klassiker. Arno Schmidt widmete Poe sogar den wohl umfangreichsten Dialogroman des 20. Jahrhunderts: "Zettels Traum" (1970).

Umso besser, dass der Insel Verlag zum 200. Geburtstag Poes nun eine neue vierbändige Gesamtausgabe mit allen Erzählungen - in der Reihenfolge ihrer Erscheinung - herausbringt. Eine schöne Illustration findet sich übrigens auf dem Cover: Es handelt sich um das Gemälde "Der Nachtmahr" (1781) des britischen Malers Johann Heinrich Füsslis, der sich ähnlich wie Poe der Darstellung des Grotesken, des Fantastischen, des Traums und des Grauens verschrieben hatte. So wird dieser Erzählband sicher viele Liebhaber des Makabern und Schauerhaften begeistern können, denn - wie es Roderick Usher in "Der Untergang des Hauses Usher" formuliert - "I have, indeed, no abhorrence of danger, except in its absolute effect - in terror."

N.K.


Titelbild

Edgar Allan Poe: Sämtliche Erzählungen.
Herausgegeben von Günter Gentsch.
Übersetzt aus dem Amerikanischen von Barbara Cramer-Nauhaus, Erika Gröger, Heide Steiner, Andrea Sachs und Ruprecht Wilnow.
Insel Verlag, Frankfurt a. M. 2008.
1548 Seiten, 19,90 EUR.
ISBN-13: 9783458069164

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