Todesfalle Internet?

Charles Macleans kriminell guter Roman "Trojaner"

Von Thomas NeumannRSS-Newsfeed neuer Artikel von Thomas Neumann

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Am Anfang des Kriminalromans von Charles Maclean steht der Mord von Sophie Lister, der Tochter von Ed und Laura Lister. Die Tat liegt ein Jahr zurück und wurde in Florenz begangen. Die Eltern begeben sich auf die schwere Reise dorthin, um weiteren Hinweisen auf den Mörder ihrer Tochter nachzugehen. Ein Skizzenbuch ihrer Tochter, die zur Vertiefung ihrer künstlerischen Fähigkeiten auf Anraten ihres Vaters nach Florenz gegangen war, gibt nähere Hinweise - wenn auch erst auf den zweiten Blick. Ed gelingt die Kontaktaufnahme zu einer Bekannten Sophies, aber die Übergabe eines Laptops, der Informationen über die Online-Kontakte seiner Tochter enthält, scheitert. Der Leser wird dabei über den schnellen Szenenwechsel unversehens in eine komplexe Geschichte hineingezogen. Das unheimliche Unbekannte wird schnell enthüllt: das Internet mit seinen Unwägbarkeiten, in dem "nichts das ist, was es scheint".

Die den Roman wie ein roter Faden durchziehende zweite Handlungsebene - sofern man von einer Handlung sprechen kann - ist die Online-Bekanntschaft von Ed mit Jelena. Ed hat Jelena sechs Monate nach dem Tod seiner Tochter bei Internet-Recherchen zu Sophies Tod in einem Chatroom im Internet kennengelernt. Die Anonymität des Internets erlaubt ihm die Vertrautheit mit einer unbekannten Person. Er kann Jelena seine Probleme und Sorgen mitteilen, was im wirklichen Leben aufgrund einer emotionalen und sozialen Distanz nicht ohne weiteres möglich ist. Parallel zu der wachsenden Vertrautheit mit Jelena taucht für den Leser noch ein weiterer Handlungsstrang auf: die Figur Ward betritt die Szene. Man merkt sofort, dass Ward bei allem, was mit dem Internet zu tun hat, seine Finger im Spiel haben könnte. Ward ist der Mörder. Er verfolgt die Bekannte von Sophie, tötet sie in einem Zug, um an ihren Laptop zu gelangen, und tötet noch eine Mitreisende, die zufällig zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort ist. Die psychopathischen Züge Wards treten schon hier andeutungsweise hervor.

Der Roman zeigt die Möglichkeiten, die das Internet einem "normalen" Benutzer bietet: Webseiten mit Onlinespielen, Chatrooms, E-Mails und Informationsrecherche. Ohne auf langweilende Details einzugehen, schafft es der Autor eindringlich die möglichen Gefahren zu skizzieren, die von einem "bösen" Benutzern ausgehen können - in diesem Fall von einem ganz besonders bösen Nutzer: dem Mörder. Schnelle Szenen, ein Gefühl für Personen und Charaktere und ein überraschender Plot sorgen für eine komplexe Geschichte, in der nichts so ist, wie es anfänglich scheint. Man könnte meinen, dies alles sei recht banal, vor allem, wenn man sich ein wenig im Internet auskennt. Aber nur weil man eine offensichtliche Gefahr ignoriert, bedeutet das nicht, dass sie nicht vorhanden ist.


Titelbild

Charles Maclean: Trojaner. Thriller.
Übersetzt aus dem Englischen von Cornelia Holfelder von der Tann.
DuMont Buchverlag, Köln 2008.
512 Seiten, 19,90 EUR.
ISBN-13: 9783832180652

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