Fünf Freunde unter Tage

Eveline Hasler und Käthi Bhend dient die Insektenwelt als Grundlage für eine Kindergeschichte

Von Fabian KettnerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Fabian Kettner

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Fünf Freunde leben unter der Erde, es handelt sich dabei um Weich- und Kerbtiere, einen Engerling, zwei Regenwürmer, einen Käfer und eine Raupe. In diesem Buch begleitet der Leser sie über den Zeitraum eines halben Jahres. Wir lernen ihr überraschend heimeliges Reich kennen, wir sehen, wie sie es sich in ihren unterirdischen Kammern und gemeinsamen Gängen gutgehen lassen, während oben Herbst ist, Stürme die Blätter von den Bäumen reißen und später Schnee die Erdoberfläche bedeckt.

Die Bildsemantik sieht ein wenig nach Öko-Esoterik aus: Alles ist durch Gänge und allgegenwärtige Wurzeln miteinander verbunden, verknüpft, verrankt und organisch verwoben. Als würden sie zur Welt-Esche Yggdrasil gehören, schlängeln sich überall Wurzeln auf den feinen und dezent bunten Zeichnungen, umfassen alles und halten alles am richtigen Platz. Auch die Steine sind so angeordnet, dass sich alles in naturgegebener Ordnung ineinander zu fügen scheint, alles ist auf diese Weise wohl geordnet, alles hat seinen Platz - ist dadurch aber auch hermetisch, unbeweglich und lückenlos. Dies ist die Kehrseite der Beschaulichkeit, die im Falle der Regenwürmer-Höhle sanft leuchtet wie das Elysium.

Die Geschichte wird aber mit leichter Hand erzählt, der Inhalt fügt sich nicht in diese Tendenz der Ästhetik. Sie ist gut konstruiert und rund, einfach, aber umfassend und hat ein anspruchsvolles Thema, bei dem man sogar noch etwas lernen kann. Die Raupe benimmt sich zunehmend merkwürdig und sagt wunderliche Dinge. Eines Tages ist sie fort, zurück bleibt nur das dichte Gespinst, das fast ihre gesamte Höhle ausfüllt. Die Freunde sind traurig, und als dann auch noch ihr größter Wintervorrat, eine riesige Zwiebel, verdorben zu sein scheint, sind sie untröstlich. Im Frühjahr aber gibt es ein Wiedersehen mit dem, was man verloren glaubte, aber in anderer Form und noch schöner, als man es vorher kannte. Aus der Zwiebel wurde eine prächige Tulpe und am Himmel fliegt ein Falter vorbei, in welchem der Engerling die Raupe Ria wiedererkennt. Diese weiß auch schon länger, wieso der Engerling immer vom Fliegen träumt, und der Vorsatz des Buchs gibt einen dezenten Hinweis darauf.

Es geht also ums Abschiednehmen, um Metamorphosen, um Naturkreisläufe, um Veränderungen, um die Frage, was von dem bleibt, das man liebt, was von dem Alten im Neuen anwesend bleibt und was vom Kommenden im Jetzt schon gegenwärtig ist. All dies formuliert dieses Buch natürlich nicht aus, aber solche Fragen werden angedeutet. Die Wahl der Tiere ist originell und außergewöhnlich; dass einem Kerb- und Weichtiere so sympathisch nähergebracht werden, ist wahrscheinlich einzigartig. Die Zeichnungen sind - unter Berücksichtigung der oben genannten Bedenken - schön und verknüpfen naturkundlichen Realismus geschickt mit der für Kinderbücher nötigen Anthropomorphisierung.


Titelbild

Eveline Hasler: Im Traum kann ich fliegen.
Illustriert von Käthi Bhend.
NordSüd Verlag, Zürich 2008.
32 Seiten, 14,80 EUR.
ISBN-13: 9783314015984

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