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Wolfgang Schorlaus Krimi beschäftigt sich auch mit dem Afghanistanengagement der Bundeswehr

Von Walter DelabarRSS-Newsfeed neuer Artikel von Walter Delabar

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Der Tod deutscher Soldaten in Afghanistan hat das Problem jüngst wieder verstärkt in die öffentliche Aufmerksamkeit gerückt: Die Verlängerung und Aufstockung des deutschen Engagements in jenem fernen Land, die vom Bundestag beschlossen werden sollen, macht den Kulturwechsel, den Deutschland selbst in den letzten zehn Jahren erlebt hat, bemerkbar. Aus dem Land, das aus seiner militaristischen und rassistischen Vergangenheit eine friedliche politische Konsequenz gezogen hat, ist nun ein Teilnehmer an internationalen Interventionen geworden. Deutsche Soldaten verteidigen das Land nicht mehr nur daheim, sie sollen auch in fremden Ländern eingesetzt werden, und sie werden dort wohl irgendwann auch einmal nicht nur Opfer von Anschlägen sein, sondern auch wirklich selbst kämpfen. Ob die Bundesrepublik darauf vorbereitet ist? Wahrscheinlich kann man sich darauf gar nicht vorbereiten. Aber welche Konsequenzen das haben wird, lässt sich einigermaßen genau vorhersehen.

Ein Soldat, aus Afghanistan heimgekehrt, verstört und offensichtlich unter einem Trauma leidend, verschwindet, nachdem er in einem Supermarkt mit seinen merkwürdigen Gespenstern gekämpft hat. Seine Frau lässt den Privatermittler Georg Dengler nach ihm suchen, und der betreibt diese Suche umso intensiver, als er nach und nachfeststellen muss, dass dieser Florian Singer identisch ist mit jenem Jungen, der ihn vor Jahren im Spiel beinahe ums Leben gebracht hat.

Aufgewertet wird das ganze Szenario noch dadurch, dass Singer nicht nur einfach verschwunden ist, sondern in Verbindung gebracht wird mit einer Geheimmikrowellenwaffe, mit der aus der Entfernung Menschen effektiv, schnell und zielgenau getötet werden können. Wichtig für die Krimihandlung wird das gleich zu Beginn, als nämlich zwei geheimnisvoll verstümmelte Leichen (Mitarbeiter des Liegenschaftsamtes) in den Bombenschutzkellern unter dem Stuttgarter Marktplatz aufgefunden werden. Niemand weiß, was mit ihnen geschehen ist, wer die beiden Männer umgebracht hat und vor allem, wie das geschehen sein kann. Die beide sind einfach nur tot wie ihre Mobiltelefone und haben verbrannte Gesichter. Sind da Geheimwaffen im Spiel?

Ein gewalttätiger Psychotiker, die Revanche für eine jugendliche Gewalttat und die Geheimnisse der militärisch-industriellen Komplexes werden in Schorlaus Roman in ein enges Handlungsgeflecht gepresst und am Ende schließlich auch noch kausal miteinander verbunden. Und wie ein solcher Satz ahnen lässt, ist genau das mindestens eine Bedrohung, eine Motivation oder ein Verbrechen zu viel. Um nicht zu fragen: Warum macht Herr Schorlau daraus nicht drei Romane? Gereicht hätte es dafür sicherlich.

Damit es des Guten auch nicht zu wenig ist, tritt auch noch Denglers Freundin, die schöne Diebin, auf, die aber keine weitere Rolle spielen darf als auf Reisen zu gehen (Revenuen verschaffen), mit Dengler dauernd Brunello zu saufen (muss die Welt so vornehm zugrunde gehen?) und mit ihm Zeit im Bett zu verbringen (was ihnen gegönnt sei, der Handlung aber wenig Hilfreiches hinzufügt). Auch wenn es für Serienhelden notwendig ist, ihnen nach und nach Profil und psychischen Tiefgang beizubringen, fragt es sich, ob dieses Übermaß an Ausstattung wirklich gut ist.

Hinzu kommt, dass die Konstruktion kaum tragfähig ist. Die Jugendgeschichte Singers mit Dengler ist fast ein Blindgänger. Sie klärt sich zwar auf (und ein so schlechter Mensch ist Singer dann auch gar nicht, eben nur verstört), aber sie ist kein Mittel, mit dem die übrigen Handlungsstränge voran getrieben werden könnten. Auch die Frage, ob nun die Psychose des Soldaten oder der Komplott der jungen ehrgeizigen Managerin aus einem weltbekannten Industriekonzern im Zentrum steht, bleibt unentschieden. Anscheinend geht es Schorlau im Wesentlichen nur darum, seinem Suchhund bei der Arbeit zuzusehen, seinen Wünsche, Motivationen, seinen Verführbarkeiten und seinen größten Missverständnissen. Dabei ist dann das Verbrechen beinahe nebensächlich und wird auch ebenso beiläufig aufgeklärt. Zumal Schorlau am Ende wohl vor allem seinen Serienhelden vor dem vorschnellen Tod durch Ertrinken retten will. Er wird dann auch in letzter Minute gerettet und darf sich und wohl bis zu nächsten Folge ein bisschen erholen. Auch das sei ihm gegönnt, und seinem Autor ein bisschen mehr Gespür für die Ausbalancierung seiner Themen. Denn Gefechtstraumata oder die Risiken der neuen deutschen Außen- und Militärpolitik sind keineswegs unbedeutende Themen oder für Krimis nicht gestaltbar. Ganz im Gegenteil, wie die amerikanische Konkurrenz zeigt.


Titelbild

Wolfgang Schorlau: Brennende Kälte. Denglers vierter Fall.
Kiepenheuer & Witsch, Köln 2008.
256 Seiten, 7,95 EUR.
ISBN-13: 9783462039825

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