A true professional

Über Volker Schlöndorffs Autobiografie

Von Heribert HovenRSS-Newsfeed neuer Artikel von Heribert Hoven

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Der Titel von Schlöndorffs Autobiografie ist nicht nur ein schönes poetisches Bild für das, was auf der Kinoleinwand zu sehen ist, zumindest bei den von Schlöndorff so geschätzten Stummfilmen, sondern zugleich auch Programm seines Schreibens - und genau darin liegt das Problem des ganzen Unternehmens. Denn Schlöndorff beschenkt uns nicht nur, wie billigerweise zu erwarten wäre, mit aufschlussreichen Details aus seinem beruflichen Werdegang, zunächst als Regieassistent der bedeutendsten französischen Nachkriegsregisseure und später als Oskar-prämierter und überaus produktiver deutscher Filmemacher, sondern lässt uns auch Einblicke nehmen in die Höhen und vor allem die Tiefen seines Lebens, die man so genau eigentlich gar nicht kennenlernen möchte. Wen könnte es beispielsweise interessieren, wann, wo und durch wen der späte Jüngling seine Unschuld verloren hat oder dass er bis ins gesetzte Alter unter einem vorschnellen Samenerguss litt. Natürlich will uns Schlöndorff glauben machen, dass seine privaten Probleme alle irgendwie Eingang in seine Filme gefunden hätten. So sieht er, der Arztsohn aus dem Taunusstädtchen Schlangenbad, seine französischen Internatserfahrungen in den Erlebnissen des jungen Törless gespiegelt, seinem ersten eigenen Film, oder sich selbst in der Rolle des Homo Faber, der durch verschiedene Frauen in seiner technologischen Weltsicht verunsichert wird.

Bewegung gibt es allemal im Leben des Volker Schlöndorff. Im "deutschen Herbst" fühlt er sich dazu aufgerufen, die Stammheimer Häftlinge durch Besuche und Botengänge aus ihrer Isolation zu befreien, etwas später outet er sich als begeisterter Jaguar-Fahrer und am Ende aller Irrfahrten entwirft er von sich das Bild des Familienvaters, der zusammen mit Frau und Kind ein "schönes Haus am Griebnitzsee" besitzt, den er fast täglich umrundet, der bisweilen mit der CDU-Vorsitzenden Angela Merkel einen Spaziergang unternimmt oder auch "neulich, beim Reiten, im Galopp, aus einem Wald" hervorbricht, um dann "im hohen Bogen aus dem Sattel" zu fliegen.

Eine gewisse Biederkeit ist auch allen Filmen Schlöndorffs zu eigen. Keiner von ihnen vermittelt ein großes filmisches Erlebnis oder vermochte gar, Vorbild zu sein und Nachfolger zu inspirieren. In jedem Fall setzt Schlöndorff auf die Stärke der literarischen Vorlage, die dann brav verfilmt wird. Einige Textwerke übersteigen natürlich von vorneherein die Möglichkeiten des Films. Schlöndorffs Verdienst liegt darin, es trotzdem gewagt zu haben. So beschreibt Schlöndorff bei der "Blechtrommel" mit entwaffnender Offenheit, wie die Vorgaben der Produktionsfirma die Verfilmung des monumentalen Epos zeitlich radikal kürzten und woran die geplante Fortsetzung - zum Glück für uns alle - schließlich scheiterte.

Wenn Schlöndorff über die Entstehung der eigenen Filme schreibt, greift er oft und gerne auf sein Tagebuch zurück. Hierin setzt er einerseits seinen zahlreichen Mitarbeitern ein ehrendes Denkmal, andererseits erzählt er hautnah und ausführlich von den Schwierigkeiten des Filmemachens. So berichtet das Tagebuch von den Problemen, an den Originalschauplätzen des damaligen Ostblocks zu drehen, oder welche Rücksichten man auf die Empfindlichkeiten der polnischen Schauspieler und Mitarbeiter nehmen musste. Die Begegnungen mit berühmten Zeitgenossen, etwa Max Frisch oder Arthur Miller, weiß Schlöndorf anschaulich zu schildern. Lebendig wird auch die Atmosphäre in der Münchner Cineastengruppe um Enno Patalas und Frida Grafe, die den Anstoß gab für jene Rebellion, in deren Verlauf die Jungregisseure Rainer Werber Fassbinder, Alexander Kluge, Werner Herzog und Wim Wenders Opas Kino hinwegfegten. Am lesenswertes ist jedoch der Teil, in dem Schlöndorff über seine Lehrjahre bei Louis Malle und Jean-Pierre Melville berichtet. Hier spürt man noch die Begeisterung für die Nouvelle Vague, die mit ihren kompromisslosen Filmen erst die späteren deutschen Autorenfilme ermöglichte. Von Ferne fühlt der interessierte Kinogänger sich bei diesen Werkstattberichten an François Truffauts legendäre Interviews mit Alfred Hitchcock erinnert. Obwohl der Film in Schlöndorffs Memoiren eher als Handwerk in Erscheinung tritt, sollte man nicht vergessen, dass dem "Alten" aus Babelsberg Entdeckungen geglückt sind, die in die Filmgeschichte eingegangen sind, etwa die geniale Besetzung des Oskar Matzerath mit David Bennent. Schlöndorff, das muss man wohl zugestehen, hat den deutschen Film auf die Weltbühne zurückgebracht.


Titelbild

Volker Schlöndorff: Licht, Schatten und Bewegung. Mein Leben und meine Filme.
Carl Hanser Verlag, München 2008.
470 Seiten, 21,50 EUR.
ISBN-13: 9783446230828

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