Männerding

Leonard Schrader schreibt in "Der Yakuza" über ein Land, in dem Männer noch Männer waren

Von Walter DelabarRSS-Newsfeed neuer Artikel von Walter Delabar

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Von der Krise der Männlichkeit ist schon seit längerem die Rede, faktisch sind die traditionellen Kriterien, mit denen Männlichkeit festgelegt und bestimmt wird, seit mehr als 200 Jahren im Verfall begriffen, mit dem Resultat, dass die symbolische Wiederherstellung männlicher Integrität immer größeren Aufwand nötig macht und immer größere Aufmerksamkeit auf sich zieht. In der Literatur dienen dazu gelegentlich Ausflüge in exotische Areale, am liebsten dorthin, wo Männer noch genau wissen, was sie sind und wo sind. Nach Japan zum Beispiel oder nach China.

Aber selbst dort ändern sich die Zeiten. Was dann übrig bleibt, sind Imaginationsräume, in denen sich Männlichkeit nach festgelegten Regeln bestimmt, am stärksten in den Bereichen jenseits der geordneten Gesellschaft, die offensichtlich mit weiblichen Kompetenzen wie Kommunikation, Friedfertigkeit und Interessenausgleich mehr anzufangen wissen als mit der guten alten Haudraufmentalität männlicher Anachronisten.

Leonard Schrader hat einen solchen Imaginationsraum ausfindig gemacht, und der findet sich in jenem spezifisch japanischen Genre, das die Yakuza, also die japanische Variante der Mafia, zum Gegenstand hat. Yakuza-Geschichten und -Filme haben sich an den Entwurf eines Regel- und Verhaltensstandards gemacht, der jenseits dieses Imaginationsraums nicht mehr existiert, in dem Männlichkeit klar definiert ist und klaren Regeln folgt. Ein Mann ist ein Mann ist ein Mann. Was würden wir ohne Gertrude Stein nur machen?

Harry Kilmer gerät nach langen Jahren wieder in diesen Kosmos, weil ein guter alter Kriegskamerad ihn darum bittet, seine in Japan von Yakuzas entführte Tochter ausfindig zu machen. Offensichtlich wird George Tanner von einem Clan unter Druck gesetzt. Geschäft und Verbrechen bilden auch hier eine brisante Mischung.

Der Job, den Kilmer nur ungern annimmt (aber er tut es doch, wegen der alten Zeiten und weil man Freunden einen Gefallen schuldet), scheint leicht zu werden, wenn auch blutig. Um das Mädchen ausfindig zu machen, muss er aber die Hilfe eines alten Kontaktmannes in Anspruch nehmen, dem Bruder seiner ehemaligen japanischen Geliebten, der selbst Yakuza war. Er weiß, dass er sich damit in die Schuld von Tanaka Ken begibt, aber er glaubt, dass er noch etwas gut bei ihm, hat er sich doch um die Schwester gekümmert, als sie ohne Familie und allein mit ihrem Kind gezwungen war, als Prostituierte zu arbeiten. Und Kilmer hat sie aus dieser Situation befreit. Nur merkwürdig, dass sie ihn trotzdem nie heiraten wollte.

Das ist alles zwanzig Jahre her, als Kilmer mit neuem Auftrag nach Japan reist und mit all den alten Bekannten, Freunden und seiner Geliebten von damals spricht. Und das ist alles nur der Auftakt einer blutigen Splatterszenerie, in der Schwertkämpfer aller Sorten gegeneinander antreten und der mittlerweile außer Yakuza-Dienst getretene Tanaka Ken seine wahren Qualitäten zeigt. Nämlich als Schwertkämpfer.

Schraders Roman, der nicht verfilmt worden ist, sondern dem Film nachgeschrieben wurde und der auf der Grundlage seines ersten Drehbuchs entstanden ist, stammt noch aus der Zeit, in der amerikanische Detektive und Killer sich nicht der Martial Arts verschrieben hatten, sondern sich darauf beschränkten, was sie im Wilden Westen gelernt hatten: mit Kanonen herumzuballern.

So teilen sich Tanaka Ken und Kilmer die Tötungsmethoden kulturell korrekt auf. Während Tanaka Ken seine Widersacher mit diversen Lang- und Kurzschwertern in Stücke schneidet, schießt Kilmer sie in guter alter amerikanischer Manier nieder. Nicht dass sich etwas an den Kampfszenen ändern würde, die in "Kill Bill" so verblüffende Nachbilder gefunden haben. In der Mitte ein tänzelnder Schwertkämpfer und um ihn herum die verschiedenen Statisten, der Aufgabe darin besteht, zuerst niedergemetzelt zu werden, um dann ächzend und stöhnend das Weite zu suchen. Ein Comic ist nichts dagegen, vor allem was die roten Flüssigkeiten angeht, die Blut darstellen sollen.

Neben solchen Action-Szenen ist es aber vor allem eins, das Schrader zu interessieren scheint: das Schuld-Saldo der beiden Protagonisten. Und schon hier wird es, am Ende und konsequent, in Richtung japanischer (fiktiver) Ehrenkodex aufgelöst. Nachdem schließlich nicht nur Tanaka Kens wahres Verhältnis zu Eko aufgedeckt wird (was vieles erklärt), sondern auch Kilmer mehr und mehr in die Schuld Tanaka Kens geraten ist, bleibt dann nur noch eins - aber das soll besser jeder selbst nachlesen.


Titelbild

Leonhard Schrader: Der Yakuza.
Übersetzt aus dem Amerikanischen von Jürgen Bürger.
Alexander Verlag, Berlin 2008.
341 Seiten, 12,90 EUR.
ISBN-13: 9783895811913

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