"Es brodelt und kafkat, es werfelt und kischt."

Vor vierzig Jahren starb der deutsch-jüdische Schriftsteller Max Brod, einer der wichtigsten Herausgeber der modernen Literaturgeschichte

Von Ursula HomannRSS-Newsfeed neuer Artikel von Ursula Homann

"Brod ist berühmt für das, was er nicht getan hat", schrieb einmal Peter Demetz, "nämlich Kafkas Manuskripte zu vernichten, wie es sein Freund wünschte, als für all das, was er in einem langen und produktiven Leben, in seiner doppelten Heimat in Prag und in Tel Aviv als Schriftsteller und Kritiker dachte und schrieb, in 82 Büchern und vielen Essays und Rezensionen."

Während Brods einst erfolgreiches literarisches Werk heute kaum noch beachtet wird, weiß jeder, der sich in der Literatur einigermaßen auskennt, wie sehr er sich als Herausgeber der Werke des 1924 verstorbenen Schriftstellers Franz Kafka verdient gemacht hat. Bereits 1925 begann er mit der Veröffentlichung von Kafkas Romanfragmenten. In den 1930er-Jahren folgte eine sechsbändige Werkausgabe und eine Biografie Kafkas, so dass uns heute dank Brod ein opulentes Œuvre aus der Werkstatt des Prager Dichters zur Verfügung steht. Umstritten ist er hingegen als "Kafka-Interpret". Einer von Brods schärfsten Kritikern war Walter Benjamin, der ihm im Hinblick auf Kafka Mangel an Distanz und Takt sowie "Unreinlichkeit in der Ökonomie des Werkes" vorwarf. Ein anderer Autor, Leo Perutz, der wie Brod aus Prag stammte und die letzten Jahre seines Lebens überwiegend in Tel Aviv verbrachte, meinte wiederum ironisch, Franz Kafka sei die beste Romangestalt Max Brods.

Auch wenn Brod hauptsächlich als Nachlassverwalter und Biograf seines Freundes Kafka bekannt geworden ist, so war er doch einer der wichtigsten deutsch-jüdischen Autoren seiner Zeit.

Als Max Brod am 27. Mai 1884 in Prag das Licht der Welt erblickte, war sein Geburtsort noch eine Provinzstadt der k.und k.Monarchie, die ihr Zentrum im kulturell tonangebenden Wien hatte. Max Brod, Sohn eines Prager Bankbeamten, wuchs mit zwei Geschwistern auf, Otto und Sophie. Seine Kindheit war belastet durch eigene schwere Erkrankungen und durch die psychische Störung seiner Mutter. Nach dem Besuch einer christlichen Grundschule und des Stephan-Gymnasiums in seiner Heimatstadt studierte er ab Herbst 1902 an der deutschen Karl-Ferdinands-Universität in Prag Jura, nicht aus Vorliebe, sondern "dem Willen meines Vaters gemäß".

Während der Studienzeit begegnete er im Frühling 1903 in der Prager "Lese- und Redehalle der deutschen Studenten" zum ersten Mal Franz Kafka. Brod hatte dort einen Vortrag über "Schicksal und Zukunft von Schopenhauers Philosophie" gehalten, in dem er sich "sehr scharf" über Nietzsche äußerte. Damit hatte er dem überzeugten Nietzsche-Anhänger Kafka einige Fragen aufgegeben. Auf dem Nachhauseweg sprach ihn Kafka an. Brod berichtet darüber in seiner 1937 erschienenen Kafka-Biografie:

"Nach diesem Vortrag begleitete mich Kafka, der um ein Jahr Ältere, nach Hause. - Er pflegte an allen Sitzungen der "Sektion" teilzunehmen, doch hatten wir einander bis dahin kaum beachtet. Es wäre auch schwer gewesen, ihn zu bemerken, der so selten das Wort ergriff und dessen äußeres Wesen überhaupt eine tiefe Unauffälligkeit war, - sogar seine eleganten, meist dunkelblauen Anzüge waren unauffällig und zurückhaltend wie er. Damals aber scheint ihn etwas an mir angezogen zu haben, er war aufgeschlossener als sonst, allerdings fing das endlose Heim-Begleitgespräch mit starkem Widerspruch gegen meine allzu groben Formulierungen an."

Nach der Promotion 1907 erhielt Brod nach einigen Umwegen eine Anstellung bei der Prager Postdirektion. Ähnlich wie Kafka lockte ihn hier vor allem die kürzere Arbeitszeit, die ihm ausreichend Zeit für seine literarischen Projekte ließ. Doch im Gegensatz zu Kafka stieg Brod schnell zu einem erfolgreichen Schriftsteller auf und arbeitete - bis zu seiner Auswanderung nach Palästina im Jahr 1939 - als freier Autor und Theater- und Musikkritiker am "Prager Tagblatt", das als eine der besten deutschsprachigen Tageszeitungen Böhmens galt. Über die Zeit beim Tagblatt schrieb Brod später in seinem Roman "Rebellische Herzen".

Daneben verfasste Brod historische, im jüdischen Milieu spielende Geschichten, Unterhaltungsromane, autobiografisch gefärbte Novellen aus dem alten Prag sowie religions- und kulturphilosophische und musikwissenschaftliche Schriften. Denn auch in der Musikgeschichte nimmt Brod einen ehrenvollen Platz ein, ja er komponierte sogar Orchesterwerke und war ein ausgezeichneter Pianist.

Bereits mit 24 Jahren veröffentlichte er sein viertes Buch, den Roman "Schloss Nornepygge" (1908), der vor allem in Berliner Literaturkreisen enthusiastisch als Meisterwerk des Expressionismus gefeiert wurde. Das Buch war das Resultat einer intensiven Beschäftigung mit Arthur Schopenhauers Büchern, in denen der Philosoph die Unfreiheit des Willens und die Unmöglichkeit sittlicher Wertungen behauptet, die wiederum bei dem jungen Brod zum "Indifferentismus" führte und bei ihm einen Fatalismus provozierte, für den alles gleichgültig, gleichwertig, sinnlos und verzeihbar war und für den es die Möglichkeit ethischer Wertungen nicht gab.

Kaum ein Jahr später, nachdem der Roman erschienen war, lehnte Brod alles in der "Indifferentismus"-Epoche Geschriebene ab und befand, dass sein Roman "Schloss Nornepygge" missglückt sei. Offensichtlich hatte er sich mit ihm seine "Sturm- und Drangzeit" von der Seele geschrieben. Zudem hatte er, laut Hugo Bergmann, mit dem Roman "Schloss Nornepygge" die "völlige Ausweglosigkeit des westlichen postassimilierten Judentums" enthüllt. Mehr noch, in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg hatte sich Brod von einem "Indifferenten" zu einem bewussten Juden gewandelt, der mit dem zionistischen Projekt von Theodor Herzl sympathisierte. Der anfängliche Pessimismus war nunmehr der Erkenntnis gewichen, dass der Mensch eine sittliche Aufgabe gegenüber der Schöpfung habe.

Vor allem Martin Bubers "Reden über das Judentum", die dieser 1909 in Prag gehalten hatte, hatten Brod zutiefst bewegt und zu einem leidenschaftlichen Zionisten bekehrt. Hinzu kam die Begegnung mit dem Ostjudentum anlässlich der Besuche einer jüdischen Theatertruppe in Prag (1911) und der Ankunft ostjüdischer Flüchtlinge während des Ersten Weltkrieges sowie die Freundschaft mit Hugo Bergmann und dessen Essay "Die Heiligung des Namens." Von nun an war Brod überzeugt, dass der Mensch frei sei, seine Entscheidungen zu treffen, dass er auf sein eigenes Schicksal Einfluss nehmen könne und auch Anteil am Schicksal Gottes habe. Seinen Kampf um ein besseres Diesseits leitete Brod aus dem Judentum ab.

Im Umfeld der Bar-Kochba-Vereinigung vertiefte er sich in verschiedene jüdisch-religiöse Quellen und vertrat seit dem Ersten Weltkrieg eine messianische und universell ausgerichtete Auffassung vom Zionismus, die auch religiöse Perspektiven mit einbezog, die dem Kulturzionismus Buber'scher Prägung nahe kam und ihn selbst zu einer fortschreitenden Lebensbejahung führte. Die notwendige "soziale und kulturelle Volksarbeit", meinte Brod um 1917, müsse auch in der Diaspora geleistet werden. Der jüdische Nationalismus habe im Unterschied zum Chauvinismus anderer Völker einen kosmopolitischen völkerverbindenden Zug. Brods Verständnis des Judentums war ein "Bekenntnis zur Menschheit" und trug moderne kritische Züge. Glaubte er doch, dass eine "Renaissance des Judentums" für die gesamte Menschheit Früchte tragen würde.

"Ich reifte langsam zur freien Willensentscheidung, zum tätigen Leben", bekennt Brod später, "wie ich es dann später in meinem Roman "Tycho Brahes Weg zu Gott" nicht theoretisch, sondern am konkreten Beispiel "dargestellt habe." Dieser 1916 erschienene Roman gilt als Hauptwerk von Brod. Mit ihm wurde der Schriftsteller berühmt.

Er schildert hier, wie der dänische Hofastronom Tycho Brahe sich, nach inneren Kämpfen selbstlos verzichtend, bei Kaiser Rudolf II. für den jüngeren Johannes Kepler einsetzt und die Problematik des modernen Juden verkörpert. Das Christentum lehrte Brahe, dass die Welt unerlöst sei. Doch der legendäre Rabbi Löw zeigte ihm den Weg aus der Krise, dass nämlich der gerechte Mensch nicht auf die Erlösung warten dürfe, sondern Mitverantwortung für die Schöpfung übernehmen und durch den Dienst am Werk Gottes die Lösung mit herbeiführen müsse.

Zu "Tycho Brahes Weg zu Gott" verfasste Stefan Zweig 1927 ein Vorwort. "Noch sehe ich ihn, wie ich ihn das erstemal sah", schrieb Zweig über Brod, "einen Zwanzigjährigen, klein, schmächtig und von unendlicher Bescheidenheit. Ich sehe ihn in seiner beglückten Freude, Prag, die geliebte und bezaubernde Stadt, einem Fremden erstmalig zeigen zu dürfen und von all seiner Liebe zu heroisch vergangener Welt zu erzählen [...]. Er erzählt von Musik, von Smetana und Janácek [...] immer aber von andern, niemals von sich und seinen selbst geschaffenen Liedern und Sonaten. Man fragt ihn nach seinem Werke, statt aller Antwort rühmt er einen völlig unbekannten Franz Kafka als den wirklichen Meister neuzeitlicher Prosa und Psychologie."

Brod und Kafka trafen sich nach ihrer ersten Begegnung fortan häufig, oft täglich, und blieben bis zu Kafkas Tod eng befreundet. Franz Kafka war öfter Gast in Brods Elternhaus und lernte dort 1912 seine spätere Freundin und Verlobte Felice Bauer kennen, die eine Kusine von Brods Schwager Max Friedmann war. Zusammen mit Brods engem Freund Felix Weltsch bildeten Brod und Kafka den so genannten engen "Prager Kreis".

Vor allem aber war Max Brod von nun ein entscheidender Förderer und Mentor der Werke Kafkas. Immer wieder versuchte er, den zweifelnden Kafka in seinen literarischen Bestrebungen zu unterstützen, und drängte ihn, seine Arbeiten zu veröffentlichen. Wahrscheinlich ist es Brod zu verdanken, dass Kafka ein Tagebuch zu führen begann. Kafka reagierte übrigens auf den Druck seines Vaters mit einer immer engeren Bindung an Max Brod, den Kafkas Vater einen "meschuggenen Ritoch" nannte, einen "verrückten Querkopf".

Max Brod hat jedoch nicht nur Kafka gefördert, er hat sich auch um andere Schriftsteller und Musiker uneigennützig bemüht, wie etwa um den Dichter Franz Werfel, mit dem er sich allerdings später zeitweise überwarf, als Werfel sich vom Judentum abzuwenden und dem Christentum zuzuwenden begann. In enger Zusammenarbeit mit dem mährischen Komponisten Leos Janácek verfasste der Prager Schriftsteller deutschsprachige Libretti für Janáceks Opern und verhalf ihm damit zum Durchbruch auf den internationalen Opernbühnen. Ferner trug Brod wesentlich mit dazu bei, dass Jaroslav Hašeks Weltkriegssatire "Der brave Soldat Schwejk" auf Berliner Bühnen gespielt und der tschechische Autor populär wurde. Für Robert Walser hat sich Brod ebenfalls eingesetzt. Auch Schalom Ben Chorin hat nach eigenem Bekunden von Brod viele Denkanstöße erhalten.

Polemische Auseinandersetzungen lieferte sich Brod dagegen mit dem vom Judentum zum Katholizismus übergetretenen bekannten Publizisten und Schriftsteller Karl Kraus. Dieser wiederum charakterisierte Max Brod neben Kurt Hiller und anderen Literaturkritikern als "Literaturhysteriker". Auch ein bissiges Bonmot, das die bewegte Atmosphäre im schriftstellerischen Milieu Prags zu jener Zeit treffend beschreibt, ist von Kraus überliefert: "Es brodelt und kafkat, es werfelt und kischt."

Aber werfen wir noch einmal einen Blick auf Brods eigenes Schaffen und eigenen Werdegang, insbesondere auf seine religionsphilosophische Schrift "Heidentum, Christentum, Judentum" (1921), die für viele Zeitgenossen wegweisend wurde. Hier unterschied Brod zwischen dem edlen und dem unedlen Unglück: Das edle Unglück, so erklärte er, stammt aus der Endlichkeit des Menschen, aus seiner metaphysischen Unvollkommenheit und gehört mit Tod, Vergänglichkeit sowie sittlicher Unvollkommenheit zur Struktur des Menschen und ist daher unlösbar mit seiner Existenz verbunden. Das Unedle ist dagegen behebbar. Während wir uns in das Edle demütig fügen müssen, fordert das Unedle unsere Aktivität heraus, denn für Krieg, soziale Missstände, Antisemitismus und derartige Ereignisse und Entwicklungen ist der Mensch selbst verantwortlich. Folglich kann er diese auch beheben.

Das Christentum verleite, so führte Brod weiter aus, mit seiner Ansicht, dass dieses Leben auf Erden nur ein Wallen in einem Jammertal sei und das Wesentliche nach dem Tod komme, zu einer passiven Haltung gegenüber allem Unglück. Brod sieht darin eine pantragische Haltung. Das heidnische und die marxistische (neuheidnische) Sicht ist seiner Meinung nach dagegen panoptimistisch. Hier glaube man wiederum, dass alles Unglück behebbar sei. Das Judentum jedoch sei demütig gegenüber dem edlen Unglück und aktiv gegenüber dem unedlen Unglück.

Das Heidentum steht, laut Brod, unter der Idee der Kontinuität des Diesseits und hält die göttliche Sphäre für eine bloße Fortsetzung des Diesseits. Das Christentum folgt der Idee der Diesseitsverneinung und sieht das Göttliche im Bild einer Negation des Diesseits. Das Judentum jedoch bewertet der Schriftsteller als ein "Diesseitswunder". Es mache den Menschen lebensfähig und sei zugleich eine lebendige Quelle sozialer Gerechtigkeit.

Wie aber ging es in Brods konkretem Leben weiter? Bereits 1933 setzten die Nationalsozialisten seinen Namen auf ihre erste Liste der in Deutschland verbotenen und verfemten Literatur. Sechs Jahre später, als deutsche Truppen im März 1939 die Gebiete der Tschechoslowakei besetzten und das so genannte "Protektorat Böhmen und Mähren" errichteten, verließ Brod mit dem letzten Zug, der die tschechisch-polnische Grenze vor der Besetzung durch die Nazis passierte, Prag. Was nun kam, erschien ihm wie ein "Geschenk des Himmels". Die Übersiedlung nach Palästina bedeutete für ihn nicht Emigration, sondern Heimkehr. Empfand er doch das Land nicht als Exil.

"In Dankbarkeit gedachte ich des allmächtigen Schöpfers, der mich hierhergebracht hatte, damit ich einen wesentlichen, bisher vernachlässigten Teil meiner Lebensaufgabe in Angriff nehmen könne", schreibt er in seinen Lebenserinnerungen "Streitbares Leben". Die zionistische Idee war für Brod nun alltägliche Wirklichkeit geworden, und er war durchaus bereit für die Realisierung seines zionistischen Traums, Beschwernisse in Kauf zu nehmen. Aber nicht alles, was er in Palästina vorfand, akzeptierte er kritiklos. Vielmehr empfand er es als seine Pflicht, das, was er als falsch oder unrichtig erkannt hatte, korrigieren zu helfen. Aufschlussreich hierfür ist ein Brief an Walter Berendson vom 23. Juli 1949: "Nun - es ist gut, dass wir uns auf eigene Füße gestellt haben und nicht mehr nach Urteilen anderer über jüdisches Wesen, jüdische Eigenart schielen müssen. Wie wir unser eigenes Schicksal anpacken und erleben: nur das zählt für uns. Und da können wir freilich nicht selbstkritisch genug sein". Verhaltene Kritik am Staat Israel klingt auch in einem "Tribüne"-Artikel" (17/1966) an. In diesem begrüßte er es zwar, dass der "Staat Israel zum erstenmal seit 2000 Jahren eine radikale Hilfe" anbiete gegen alle Nöte und Verfolgungen, die Juden in der Diaspora, im Exil zu erleiden hatten. Skeptisch aber fügt er hinzu: "Gewisse Ereignisse, die sich in den letzten Jahren bei uns abspielen, lassen mich leider daran zweifeln. Und das wühlt mir die Seele auf, macht mir bittere Sorge, ja gibt mich für lange Strecken dem Unglücklichsein anheim - bis ich mich wieder aufraffe."

Schon in den ersten Monaten nach seiner Einwanderung hielt Brod Vorträge in hebräischer Sprache. Auch nahm er als Dramaturg des "Habimah"-Theaters die Gelegenheit war, die hebräischen Zuschauer mit ursprünglich deutschen oder deutsch-jüdischen Schauspielen bekannt zu machen.

"Mein Beruf machte mir Freude, er war schön und ehrenhaft. Inniger als die meisten einwandernden Westjuden war ich von Anfang an mit einem Zentrum der aufblühenden hebräischen Kultur verwoben." Für die "Tribüne" (15/1965), die er als freier Mitarbeiter durch zahlreiche Artikel wesentlich mitgeprägt hat, schrieb er später einen Artikel über das "hebräische Theater in Israel" und wies dabei auf wichtige dramatische Dichter in der neuhebräischen Literatur hin, wobei er der Hoffnung Ausdruck gab, dass Israel, "wenn erst einmal Frieden eingetreten ist, auch für die dramatische Kunst der Araber eine Heimstätte sein" werde.

Während der ersten Jahre bis 1947 hatte Max Brod freilich fast nichts publiziert. Das Weltgeschehen und der private Schicksalsschlag - der Tod seiner Frau - lähmten seine Kräfte. Erst zehn Jahre nach seiner Emigration nach Palästina begann er, wieder zu publizieren, zum Beispiel "Galilei in Gefangenschaft" (1948) - in deutscher Sprache, was ihm sogleich im Lande von eifrigen jüdischen Nationalisten angekreidet wurde. Er hätte, warf man ihm vor, ein hebräisches Buch schreiben sollen.

Gleichwohl wurde er für dieses Werk mit dem Bialik-Preis bedacht. Es schildert den Verrat Galileis an der Wissenschaft und wie es Galilei erst gegen Ende seines Lebens gelang, Selbstsucht und Angst zu überwinden. Es folgten weitere Romane, wie etwa der Jesusroman "Der Meister" (1952), in dem Brod aus jüdischer Sicht die Gestalt Jeshuas vor dem Hintergrund der politischen und geistigen Situation darstellt und Jeshua auf sein ursprüngliches Judesein zurückführt, indem er ihn ähnlich wie Albert Ehrenstein und Else Lasker-Schüler nicht als Gottessohn, sondern als Menschen und thoratreuen Juden porträtiert. Für Schalom Ben Chorin war "Der Meister" der schönste ihm bekannte Jesus-Roman, da hier Judas nicht als Verräter, sondern als messianischer Aktivist dargestellt wird.

Kritik an der neuen Heimat übte Brod hingegen in seinem Roman "Unambo" (1949). Da er sich nicht, wie er erklärte, mit patriotischen Schilderungen israelischer Heldentaten ("Burmaroad" und andere) begnügen wollte, dürfe auch die "Nachtseite" nicht fehlen.

Dieser Roman aus dem jüdisch-arabischen Krieg ist Brods einziger in Israel spielender Roman - ein mühseliger, inzwischen fast verschollener Versuch, seine Kritik an gewissen israelischen Zuständen gleichzeitig durch Idealisierung anderer Dinge, vor allem der Jugend, zu "entschärfen" und propagandistisch aufzuwerten.

Einen beträchtlichen Teil seiner Zeit widmete Brod in Israel ebenfalls der Musik. Jahrelang war er Musikkritiker der in Tel Aviv erscheinenden deutschen Tageszeitung "Neueste Nachrichten". Gemeinsam mit dem Komponisten Alexander Uriah Boskovitch (1907-1964) schuf er Werke im "volkstümlichen Sinne" sowie einige klassische Werke, aber leider waren sie schnell überholt und sind mittlerweile völlig in Vergessenheit geraten.

Brod, der an die göttliche Vollkommenheit der Welt glaubte, hatte in "Das Diesseitswunder oder die jüdische Idee und ihre Verwirklichung" (1939) das Judentum als weltlich und geistig wirksamen Faktor verteidigt und schon 1939 die Verfolgung der Juden als Verbrechen an der ganzen Menschheit gebrandmarkt. In Reaktion auf die Shoah suchte er dann in "Diesseits und Jenseits" (1947/48) nach einer Erklärung, warum Gott so viel Leid geschehen ließ. Gott habe die Welt geschaffen, so Brods Antwort, um selbst zu leiden. Dennoch müsse der Mensch das Leid bekämpfen, wodurch der Anbruch der messianischen Zeit schon im Diesseits möglich sei.

Denn als er nach dem Krieg erfahren hatte, dass sein Bruder Otto 1944 in Auschwitz vergast worden war, hatte er sich erneut intensiv mit theologischen Themen auseinander gesetzt, vor allem mit den Fragen: "Ist die Seele unsterblich?" Und: "Wie läßt sich das Leiden der Welt mit dem Glauben an einen allmächtigen und allgütigen Gott vereinbaren?" Daraufhin präzisierte und revidierte er einige seiner religionsphilosophischen Thesen, betonte aber weiterhin, dass die Aufgabe bleibt, die Leiden der Erde durch menschliches Tun zu lindern und dass eine messianische Zeit folgen würde, die sich noch im Diesseits abspielen werde.

Ab Mitte der 1950er-Jahre Jahre reiste Brod Jahr für Jahr nach Europa, um Vorträge zu halten, um an Theateraufführungen teilzunehmen und um junge Komponisten und Schriftsteller zu treffen. Doch erst 1964 vor dem Prager Frühling betrat er in Prag vor Hunderten von Lesern und Freunden von Kafkas Werk die literarische Szene seiner Vaterstadt. Der einstige Staatsbeamte der Republik hielt seinen Vortrag in tschechischer Sprache im Festsaal des Klosters Strahov. Später sagten Zeitgenossen, dieser Tag sei ein Vorbote des Prager Frühlings 1968 gewesen.

Brod wandte sich dagegen, dass gewisse Kreise in Israel es ablehnten, die Ausschreitungen des "Dritten Reiches" zu verzeihen. "Vergessen kann man freilich nie, was geschehen ist." Doch müsse man zugeben, dass in Deutschland gegenwärtig - man schrieb das Jahr 1968 - vieles getan werde, um Strömungen, die einst zum Nazismus führten, nie wieder aufkommen zu lassen. "Aber die Jugend in Deutschland, die ja noch ungeboren oder doch unmündig war, als die Greueltaten des Dritten Reiches sich ereigneten, ist jedenfalls unschuldig." Er selbst habe bei seinen Reisen in Deutschland seit 1949 "viele Repräsentanten der besten Jugend kennen gelernt, und bin bei jung und alt in allen Schichten der Bevölkerung immer wieder auf ehrlich humane und oft auf erstaunlich reife Gesinnungen und Taten gestoßen, die Hoffnungen in mir geweckt haben." Auch in einem "Tribüne"-Artikel (7/1963) bescheinigte er der deutschen Jugend, dass sie "weltaufgeschlossen, fortschrittlich, sehr kritisch gegen große Worte, sogar ganz misstrauisch" sei.

Fraglos war Brod in seinem Judentum tief verwurzelt. Er bekannte sich zu Israel als seinem Land und seinem Schicksal, ohne indes die Wurzeln seiner dichterischen Schöpfungen im deutschen Sprachboden zu vernachlässigen. Seine Beziehung zum Deutschtum bezeichnete er als "Kulturverbundenheit" und brachte sie auf den Begriff der "Distanzliebe", die dem Dichter Heinrich Heine nicht zu eigen gewesen sei, denn dieser habe, so erklärte Brod 1934 in seiner noch heute lesenswerten Heine-Biografie Deutschland unglücklich, weil distanzlos geliebt.

Schalom Ben Chorin rühmte seinen Freund Max Brod als liebenswürdigen und gütigen Menschen mit umfassender Bildung, als eine schöpferische Persönlichkeit und schrieb einmal, dass es Brod war, der für ihn die Brücke zwischen der Dichtung, dem Geist des Judentums und der Botschaft des Glaubens geschlagen habe. Sein Lebenswerk sei eine Dokumentation des Streits um die Wahrheit und sollte deshalb Bestand haben. Zudem sei Brod einer der geistreichsten und begabtesten jüdischen Denker, Dichter und Intellektuellen des 20. Jahrhunderts.

Johannes Urzidil nannte ihn einen ungemein vielseitigen "Poeta doctus" während ein anderer Freund, der hebräische Dichter Shin Shalom, 1966 über ihn schrieb: "Der Weg Max Brods ist der Weg der Liebe zu den Menschen und ihrem Schöpfer", und Margarita Pazi wiederum meinte: "Der Ethiker Brod war der Mentor des Künstlers Brod, der danach strebte, seine Mitmenschen in schaffender Liebe zum Werk an der Menschheit anzuspornen."

Max Brod starb am 20. Dezember 1968 in Tel Aviv.

Anmerkung der Redaktion: Dieser Aufsatz erschien zuerst in der Zeitschrift "Tribüne. Zeitschrift zum Verständnis des Judentums". Heft 188 4.Quartal 2008. Wir danken der Autorin für die Publikationsgenehmigung