Im Niemandsland zwischen Apokalypse und Krimi

Piero Meldinis Roman "Die Schutzheilige des Taumels"

Von Roland KroemerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Roland Kroemer

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Der Weltuntergang ist auch nicht mehr das, was er einmal war. Ob im Hollywoodstreifen oder im 500-Seiten-Wälzer - er wurde in den 90ern so häufig beschworen, daß er kaum noch eine Schlagzeile wert ist. Wir sind abgestumpft. Kaum etwas wurde ausgelassen, um eine Apokalypse durch eine noch gigantischere zu übertreffen. Ratten, Viren, Atomraketen, Außerirdische, Kometen: der Phantasie scheinen keine Grenzen gesetzt, wenn es darum geht, der Menschheit den Garaus zu machen.

So auch Piero Meldini mit seinem nun in Deutschland erschienenen Roman "Die Schutzheilige des Taumels". Daß das Buch vor fünf Jahren in Italien ein Bestseller war und mit dem Premio Baguta ausgezeichnet wurde, kann nur erstaunen. Im Unterschied zu Meldinis "Gegengift zur Melancholie" (1997) hat dieser Roman nichts Neues zu bieten: keinen originellen Plot, keine interessanten Charaktere, keine Spannung.

Der Heiligenforscher Prof. Dominici stößt eines Tages auf eine alte, unbekannte Geheimschrift über die Selige Isabetta, mit deren Leben er sich seit langem beschäftigt. Als er den Code geknackt hat, ist das Entsetzen groß: Das Dokument prophezeit den nahen Weltuntergang, eingeleitet durch eine Handvoll Vorzeichen, die sich nach und nach erfüllen. Drei Nächte lang ist das Heulen eines Hundes zu hören, im städtischen Theater bricht ein Feuer aus, das Grab von Dominicis Frau wird verwüstet. Und schließlich, als letzte Weissagung vor der Apokalypse, liegt eine Leiche vor der Haustür des Professors. Ist er der Mörder, wie es die Schrift verkündet? Bewahrheitet sich die Prophezeiung und steht das Ende bevor? Oder ist alles nur der teuflische Plan eines Verbrechers? "Ein kluger Bischof", so heißt es in der Verlagsankündigung, "entwickelt kriminalistischen Spürsinn, um die Wahrheit zu ergründen. Ihm folgt der Leser Stufe um Stufe, bis er zuletzt in eine schwindelerregende Geschichte von wahrer Liebe und geduldiger Rache blickt."

Das wäre schön. In Wirklichkeit aber ist die Handlung derart vorhersehbar konstruiert, daß man ihren Ausgang spätestens nach der Hälfte des Romans kennt. Meldini scheint zu glauben, ein Mindestmaß an Spannung sei schon dadurch garantiert, daß er zwischen Krimi und Apokalypse changiert. Tatsächlich aber bleibt der Roman so im Niemandsland zwischen den beiden Genres stehen und wirkt daher eigenartig abstrus. Dabei wären alle Komponenten für einen spannenden Kriminalroman à la "Der Name der Rose" gegeben: die Bibliothek und ihr schrulliger Bibliothekar, ein uraltes Buch mit einer rätselhaften Geheimschrift, der Mord an einer Unschuldigen. Doch Meldinis Figuren bleiben eindimensional, ihre Handlungen stets durchsichtig.

Atmosphäre will auf den 140 Seiten auch deshalb nicht aufkommen, weil die wenigen philosophischen Reflexionen, die die Handlung begleiten, selten das Niveau von Platitüden übersteigen. Da helfen auch die in den Text eingestreuten lateinischen Zitate nicht viel. Vor allem die geheimen Aufzeichnungen des Bischofs, prätentiös mit "Amt des Schweigens" betitelt, offenbaren den philosophischen Leerlauf des Romans. Im Alter von 75 Jahren, so schreibt der Geistliche, "nicht fern der Stunde, in der dieses Leben, das lange und großzügig war, zu Ende gehen wird", habe er endlich das Geheimnis Gottes erkannt: "Seine Sprache ist das Schweigen." Wahrlich, ein großer Gedanke! Und wir Leser verstummen voller Respekt.

Titelbild

Piero Meldini: Die Schutzheilige des Taumels. Aus dem Italienischen von Barbara Schaden.
Berlin Verlag, Berlin 1999.
140 Seiten, 15,20 EUR.
ISBN-10: 3827002877

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