Schlimm, schlimm, schlimm

Unausgereift, unfertig, unausstehlich: Rebecca Martins Buch "Frühling und so" tut so, als wäre es ein Roman

Von Martin SpießRSS-Newsfeed neuer Artikel von Martin Spieß

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Was hatte der gerade dem Ei entschlüpfte, schwule Fernsehsender TIMM getönt! Eine neue, junge Charlotte Roche wollte er in Rebecca Martins Debüt "Frühling und so" gelesen haben. Reißerisch und laut wurde der Beitrag angepriesen, nur um dann wenig professionell in der Frage zu kulminieren, ob denn die erst 18 Jahre alte Autorin all das, worüber sie schreibt, selbst erlebt habe: viel Sex komme ja drin vor, schmutzig und rau beschrieben, das sei schließlich unüblich.

Am Anfang kann man es gar nicht erwarten: Das Buch - oder vielmehr dessen Ankunft - wird sehnlichst herbeigesehent, man fragt sich, wie eine gerade 18-jährige sich an Charlotte Roche heranwagen kann. Und ob dieser Versuch nicht doch nur zum Scheitern verurteilt sei. Hat man es dann endlich in der Hand, schlägt auf und liest, so stellt man schnell fest, dass es mit Abstand das unaufregendste Stück Belletristik seit langer Zeit ist: sprachlich, stilistisch und erzählerisch vollkommen unausgereift, palavert die junge Berliner Autorin von Liebe, Sex und Zärtlichkeit. Protagonistin ist die 16- (und nach ihrem Geburtstag) 17-jährige Raquel, die sich - wie die Autorin - immer wieder recht erfolgreich als Schauspielerin versucht und sich nebenbei bemüht, das mit dem Erwachsenwerden hinzubekommen.

Sie geht tanzen, veranstaltet Parties, trifft sich mit ihrer besten Freundin, die sie mit "toll, toll, toll" beschreibt. Sie küsst Jungs, schläft mit ihnen, bläst, fickt, dirty-talked. Sie ist zu schüchtern, um den schönen Skater-Typen in der Bahn anzulächeln. Oder in der Disko. Auf der Straße. Sie ist in ihren Nachbarn verliebt, aber wie soll sie es ihm denn nur sagen? Ach verflixte, juvenile Unwissenheit! Scheußliche Sinuskurve der Hormone! Ach, schrecklich' Ding, das du Pubertät dich nennst!

Die jedoch könnte der Leser nicht nur ertragen, sondern es sich - bedeckt von nostalgischer Rührseligkeit - in ihr richtig schön gemütlich machen. Damals, könnte er sich erinnern, ach, was habe ich da nicht alles undsoweiterundsofort. Die unausgegorene, unfertige Schreibe von Rebecca Martin aber bewirkt, dass man an allem anderen teilzuhaben sich vorstellen kann, nur nicht an der Geschichte der Protagonistin. Ein Besuch in einem Film von Uwe Boll beispielsweise gewinnt urplötzlich an kaum zu fassender Attraktivität. Denn in "Frühling und so" erzählt nicht eine Autorin einen Roman, nein, hier spielt eine Schülerin Autorin und ihr Roman liest sich wie ein unpointiertes Tagebuch.

Wenn das Buch wirklich unpointiert sein wollte, dann würde man sich das Lamento dieses unreifen, suchenden Mädchens, das es einfach nicht besser weiß, nur zu gerne anhören. Denn den belanglosen Gedanken der pubertären Göre hätte ihre Erschafferin einen tieferen Sinn eingeflochten, die fehlende Pointiertheit wäre Intention. Dem ist jedoch nicht so. Sprachlich und stilistisch klappert der Roman wie ein Windspiel im Tornado. Rebecca Martin eine junge Charlotte Roche? Vielleicht sollte TIMM sich beim Original entschuldigen.


Titelbild

Rebecca Martin: Frühling und so. Roman.
Schwarzkopf & Schwarzkopf Verlag, Berlin 2008.
316 Seiten, 9,90 EUR.
ISBN-13: 9783896025470

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