Magda Schneiders Affäre

Das juristische Verfahren um einen Roman macht die Nazi-Vergangenheit von Romy Schneiders Mutter zum Thema

Von Urte HelduserRSS-Newsfeed neuer Artikel von Urte Helduser

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Der pünktlich zum 70. Geburtstag von Romy Schneider im September vergangenen Jahres erschienene biografische Roman "Ende einer Nacht" von Olaf Kraemer, eine fiktionalisierte Innensicht der letzten Stunden im Leben der Schauspielerin, darf seit einer einstweiligen Verfügung des Landgerichts Frankfurt vom Oktober zur Zeit nur noch in einer gekürzten, vom Münchner Blumenbar-Verlag als "collectors edition" beworbenen Ausgabe verkauft werden. Erwirkt hat dies der Witwer von Romy Schneiders Mutter Magda Schneider, Horst Fehlhaber. Geschwärzt wurden sieben Passagen - laut Verlagsinformation 152 Worte - in denen die fiktive Romy über die Nähe ihrer Mutter zur NS-Prominenz und eine mögliche "Affäre" Magda Schneiders mit Adolf Hitler spekuliert. Nachdem der Verlag gegen die gerichtliche Verfügung Widerspruch eingelegt hat, wird nun erneut vor Gericht verhandelt, falls eine Einigung der Parteien nicht gelingt, soll am 13. Februar ein Urteil verkündet werden (siehe SZ vom 30.1.2009).

Auch hier geht es - wie im Fall von Maxim Billers Roman "Esra" und Klaus Manns "Mephisto" - um die Verletzung von (in diesem Fall postmortalen) Persönlichkeitsrechten einer in einer Romanfigur erkennbaren Person (siehe literaturkritik.de 6/2007).

Kraemers Roman bedient mit literarischen Mitteln den Voyeurismus, dem die Figur Romy Schneider jahrelang ausgesetzt war: Er schildert sie als leidenschaftlich Getriebene, als verlassene Geliebte Alain Delons, die sich nach Beziehungsdramen, dem tödlichen Unfall ihres Sohnes David und aus Furcht vor dem Schicksal einer alternden Diva (hier wird auch Marlene Dietrich heranzitiert) in eine Champagner-, Zigaretten- und Tablettensucht flüchtet.

Indem er dies alles in der letzten Nacht der Schauspielerin eskalieren lässt, leistet Kraemer der Mystifizierung des Todes, wie sie seit den Spekulationen der Boulevard-Presse über einen möglichen Selbstmord Romy Schneiders herrschen, weiter Vorschub. Kraemer spitzt Bekanntes aus dem Leben Schneiders eher effekthaschend zu, so auch die Nazi-Vergangenheit von Romy Schneiders Eltern.

Magda Schneiders Nähe zu Adolf Hitler und zu führenden Nazis ist nicht neu. So war bereits in den aus den 1990er-Jahren stammenden und im Romy-Schneider-Jubiläums-Jahr 2008 neu aufgelegten Biografien Alice Schwarzers und Michael Jürgs zu lesen, dass zu den Verehrern der jungen Münchner Theaterschauspielerin Magda Schneider bereits in den frühen 1930er-Jahren Adolf Hitler zählte. Auch die Filmaufnahmen von Schneiders Besuch auf dem Obersalzberg 1941 sind bekannt. Zudem hat Magda Schneider, die seit ihrer Ehe mit dem erklärten Nationalsozialisten und Schauspieler Wolf Albach-Retty, dem Vater Romys, ein Haus bei Berchtesgaden, in direkter Nähe zum Obersalzberg und in der unmittelbaren Nachbarschaft zu Hitlers Sekretär und Reichsminister Martin Bormann bewohnte, über diese Nähe selbst unbedarft geplaudert. Alice Schwarzer zitiert aus der Serie "Leb wohl Romy", in der Magda Schneider 1982 in der "BILD-Zeitung" den Tod der Tochter vermarktete, über die Einladungen bei der Familie Bormann und die Kindergeburtstage, auf denen sich auch die kleine Romy vergnügt habe.

Während jedoch Schwarzer vermutet, die 'harmoniebedürftige' Romy habe ihrer Mutter nie Rechenschaft über ihre Rolle im Nationalsozialismus abverlangt, kommt es in Kraemers Roman in einem Telefonat zwischen Mutter und Tochter über genau diese Frage zum Eklat. Damit spitzt er zu, was auch Alice Schwarzer in ihrem Porträt vermutet: Dass die NS-Vergangenheit der Eltern zumindest eine Ursache für Romy Schneiders psychische Krisen darstellten und letztlich - so ließe sich Kraemers Erzählung deuten - für ihren frühen Tod zumindest mit verantwortlich sind.

Nicht aufgrund neuer Vorwürfe gegen Magda Schneider wurde gegen Kraemers Roman gerichtlich vorgegangen. Schon Alice Schwarzer zitiert Romy Schneider mit den Worten "Ich glaube, daß meine Mutter ein Verhältnis mit Hitler hatte" - ohne dass dies zu einer Zensur geführt hätte. Erst die Fiktionalisierung dieser Aussage in Kraemers Roman bot jetzt die juristische Interventionsmöglichkeit. In der gerichtlichen Auseinandersetzung müssen nun Persönlichkeitsrecht und künstlerische Freiheit gegeneinander abgewägt werden.

Zunächst führt das Verfahren jedoch dazu, Magda Schneiders Rolle im Nationalsozialismus genauer zu beleuchten. Dass sie als Gattin eines überzeugten NSDAP-Mitglieds und auf der "Gottbegnadeten-Liste" stehenden Schauspielers sowie als gern gesehener Gast bei Goebbels' Abendgesellschaften (Ernst Klee, Das Kulturlexikon zum Dritten Reich, siehe dazu literaturkritik.de 8/2007) ein mehr als nur karrieregeleitet opportunistisches Verhältnis zum Nationalsozialismus gehabt haben könnte, steht nun zur Debatte.

Von Seiten der Kläger ist nun eine Zeugin gefunden worden, die als Bekannte Magda Schneiders eidesstattlich erklärt hat, diese sei nur widerwillig "nach der fünften bis sechsten Einladung" auf den Obersalzberg gegangen (siehe dazu focus online vom 29.1.2009). Interessanter als Magda Schneiders persönliche Überzeugtheit vom Nationalsozialismus dürfte jedoch die mit ihrer Nähe zu prominenten Nazis beförderte Karriere innerhalb der NS-Unterhaltungsindustrie sein, in der sie laut Klees "Kulturlexikon zum Dritten Reich" mit 32 Filmen vertreten ist. Durch ihre Mitwirkung im scheinbar unpolitischen Unterhaltungsfilm war Magda Schneider ähnlich wie Heinz Rühmann oder Johannes Heesters Teil des Systems der NS-Propaganda-Politik geworden. Ähnlich wie ihre Kollegen steht sie für den nahezu bruchlosen personellen Übergang von der NS-Unterhaltungsindustrie über die Nachkriegszeit bis hin zur aktuellen Fernsehunterhaltung.

Michael Jürgs und Alice Schwarzer machen deutlich, welche Funktion Tochter Romy diesbezüglich hatte: Der Wiedereinstieg ins Filmgeschäft nach 1945 gelang Magda Schneider vor allem über ihre Tochter, die sie als Nachwuchstalent ins Spiel brachte und dabei für sich jeweils gleich eine Rolle mit aushandelte. In Heimatfilmen wie "Wenn der weiße Flieder wieder blüht" (1953) und natürlich den legendären "Sissi"-Filmen (1955-57) trat Magda Schneider dann auch als Film-Mutter ihrer Tochter Romy auf. Nicht zufällig, so Jürgs und Schwarzer, bediente sich der Nachkriegsfilm mit jugendlichen Stars wie Romy Schneider, Nicole Heesters oder Götz George der Kinder bekannter Unterhaltungsstars der Nazizeit. Damit setzte man gleichermaßen auf einen 'unbelasteten' jugendlichen Neuanfang wie auch auf die Kontinuität zum NS-Unterhaltungsfilm und seinen Protagonisten, deren Entlastung so über ihre Kinder gleich mitbetrieben wurde.

Anders als Johannes Heesters oder Heinz Rühmann hat sich die 1996 verstorbene Magda Schneider zu Lebzeiten erfolgreich einer öffentlichen Auseinandersetzung mit ihrer Rolle im Nationalsozialismus entziehen können. Wenn im Zuge des Verfahrens um Kraemers Roman dieses Thema beleuchtet würde, läge zumindest hierin ein Verdienst des Buchs.


Titelbild

Michael Jürgs: Der Fall Romy Schneider. Eine Biographie.
Ullstein Verlag, München 2008.
345 Seiten, 9,95 EUR.
ISBN-13: 9783548372174

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch

Titelbild

Olaf Kraemer: Ende einer Nacht. Die letzten Stunden von Romy Schneider.
Blumenbar Verlag, München 2008.
186 Seiten, 17,90 EUR.
ISBN-13: 9783936738421

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch

Titelbild

Alice Schwarzer: Romy Schneider. Mythos und Leben.
Kiepenheuer & Witsch, Köln 2008.
270 Seiten, 8,95 EUR.
ISBN-13: 9783462040555

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