Klassische Elemente im neuen Gewand

Die österreichische Autorin Berta Berger zeigt ihre Vorliebe für Märchenprinzessinnen

Von Stefan CernohubyRSS-Newsfeed neuer Artikel von Stefan Cernohuby

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Jeder Erwachsene hat in seiner Kindheit zahlreiche Märchen vorgelesen bekommen. Doch wie viele sind davon in Erinnerung geblieben? Zumindest die Klassiker wie "Aschenputtel" und "Schneewittchen", soviel ist sicher. Aber moderne oder neue Märchen? Vielleicht einige wenige. Daher kann man sicher sein: Märchen sind kein einfaches Genre.

Die österreichische Autorin Berta Berger hat sich davon allerdings nicht abschrecken lassen und zahlreiche Geschichten in diesem Genre verfasst, die gemeinsam in dem im Autumnus-Verlag veröffentlichten Märchenbuch "Die Prinzessin, die von der Liebe nichts wissen wollte", erschienen sind. Entgegen dem Titel des Bandes und der Titelgeschichte ist das Hauptthema vieler enthaltener Märchen die Liebe. So wie jene titelgebende Prinzessin feststellt, dass Gold und schöne Kleidung doch nicht alles seien, worauf es ankomme, weiß auch der König in "Wie der König fröhlich wurde" nicht, was ihm eigentlich fehlt.

Was die anderen Ingredienzien angeht, gibt es derer viele. In verschiedenste Tiere verwandelte Prinzessinnen und Prinzen kommen genauso vor wie verwunschene Schlösser. Zu lösende Rätsel gibt es ebenso wie Drachen, die überlistet werden wollen. Dabei werden Klassenunterschiede meist durch die Handlung relativiert. "Der gutherzige Jäger" ist ebenso in der Lage eine verwunschene Königsfamilie zu befreien, wie auch "Der tapfere Bächer" es vermag, einen Riesen in die Flucht zu schlagen und das Herz der Prinzessin zu erobern. Auch wird mit der klassischen Aufteilung von Aufgaben zumindest teilweise aufgeräumt. In emanzipierten Märchen wie "Des Königs kluge Entscheidung" sind es nicht zwangsläufig die Söhne, die am Ende das Königreich beherrschen.

Märchen für Kinder sollten im Idealfall in erster Linie auch für Kinder geschrieben sein und nebenbei überdies noch pädagogischen Wert aufweisen sowie Wissen vermitteln. Eine schwierige Aufgabe. Berta Berger schafft diesen Spagat über weiteste Strecken. Zwar ähneln sich einige Märchen, aber insgesamt sind die einzelnen Erzählungen trotzdem abwechslungsreich. Sie sind nie völlig gleichartig aufgebaut. Trotzdem wird das relativ abstrakte Thema "Liebe" sehr oft angeschnitten. Natürlich, das wurde es in "Dornröschen" ebenfalls, aber immer als integriertes Element, selten als Hauptthema. Es ist fraglich, inwieweit gerade kleine Kinder nachvollziehen können, wieso eine Prinzessin glücklicher ist, wenn sie plötzlich hässlich ist und dafür einen Mann hat. Unabhängig von dieser Fragestellung gibt es zahlreiche Märchen zu entdecken, in der es auch um andere Thematiken geht. Und hier gibt es wirklich einige unterhaltsame und spannende Geschichten zu entdecken, die sich hervorragend dafür eigen, sie vor dem Schlafengehen vorzulesen. Jede einzelne Geschichte geht gut aus. Zwar mag es Kritiker geben, denen rein positive Enden nicht zusagen, der Verfasser dieser Rezension gehört allerdings nicht dazu. Märchen, die man in der Absicht vorliest, dass danach geschlafen werden soll, sollten nicht zu aufwühlend oder gar verstörend wirken.

Insgesamt ist das Märchenbuch "Die Prinzessin, die von der Liebe nichts wissen wollte" als gelungen und empfehlenswert einzustufen. Es ist erstaunlich, dass es auch heute noch Autoren gibt, die in der Lage sind, klassische Märchenelemente auf erfrischende Art und Weise neu zu verweben. Berta Berger gehört zu diesen Autorinnen. Eltern, die einmal andere Geschichten als "Grimms Märchen" vorlesen wollen, liegen mit diesem Buch sicherlich nicht falsch.


Titelbild

Berta Berger: Die Prinzessin, die von der Liebe nichts wissen wollte. Märchen.
Autumnus Verlag, Berlin 2008.
224 Seiten, 15,90 EUR.
ISBN-13: 9783938531013

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