Marodierender Keiler hilft beim Erwachsenwerden

Joe R. Lansdale bietet in seinem Roman "Der Teufelskeiler" Einblicke in die amerikanische Geschichte

Von Stefan CernohubyRSS-Newsfeed neuer Artikel von Stefan Cernohuby

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Wir schreiben das Jahr 1933. Die große Depression, die seit dem Jahr 1929 das Land beherrscht, hat dazu geführt, dass ganz Amerika den Gürtel enger schnallen muss. Im kleinen Dorf in Osttexas hat dies aber keine großen Auswirkungen. Denn wer immer schon arm gewesen ist, hat weniger Probleme damit, noch ein kleines bisschen ärmer zu sein. Doch gerade in diesen unsicheren Zeiten bekommt Harold Dales Vater überraschend die Möglichkeit, eine ganze Menge Geld zu verdienen. Als Schaukämpfer eines Wanderzirkus ist er allerdings viel unterwegs. Harold und seine Brüder müssen sich ganz alleine um die Felder kümmern und ihre erneut schwangere Mutter schonen. Anfangs geht alles gut, Harold träumt von einer Zukunft als Schriftsteller und übt dabei schon bei seinem schwarzen Freund Abraham das Geschichtenerzählen. Doch eines Tages taucht ein alter Eber aus dem Wald auf, der von allen nur "Old Satan" genannt wird. Ein riesiges Tier mit gewaltigen Zähnen und völlig wahnsinnig - er tötet Hunde, Rinder, vernichtet die Ernte und greift auch Menschen an. Als Harolds Mutter nach einem Angriff beinahe ihr Baby verliert, nimmt der Junge sich vor, dem Keiler den Garaus zu machen - koste es, was es wolle. Nach Instruktionen von Abrahams Großvater, der einst ein großer Jäger war, ziehen die beiden Jugendlichen mit ihren Hunden aus, auf Wildschweinjagd.

Was ist "Der Teufelskeiler" nun? Ein Roman über eine Wildschweinjagd? Ein Jugendroman, der vom Erwachsenwerden erzählt? Ein pseudo-historisches Werk, das versucht authentisch zu wirken? Ein wenig von all dem. Joe R. Lansdale schneidet sowohl die Themen Verantwortung, als auch Krisenbewältigung an. Ein weißer und ein schwarzer Junge ziehen aus und töten ein verrücktes Schwein. Eine Parabel, die man durchaus auf heutige Wirtschaftskrisen und das moderne, nunmehr demokratisch regierte Amerika anwenden kann. Da der Roman allerdings schon im Jahr 1998 erschienen ist, hat er allerdings nichts unmittelbar mit aktuellen Krisen zu tun. Das Buch würde keinen schlechten Jugendroman darstellen, da Freundschaft, das Erwachsenwerden und "rassenüberschreitende" Freundschaft im Mittelpunkt stehen - und das in Texas. Allerdings ist Joe R. Lansdale dafür bekannt, in vielen verschiedenen Genres zu schreiben und überall seine Spuren zu hinterlassen. Der ursprünglich in einer streng limitierten Auflage erschienene Roman "Der Teufelskeiler" (im Original "The Boar") ist hierbei keine Ausnahme. So könnte es auch sein, dass dem Werk, abgesehen vom selben geschichtlichen Hintergrund wie in seinem erfolgreichsten Roman "Die Wälder am Fluss", gar keine eindeutige Prämisse zu Grunde liegt. Dies mindert zwar nicht das Leseerlebnis, aber doch die Interpretationsfähigkeit des Textes. Man ist sich am Ende einfach nicht ganz sicher, worauf der Autor eigentlich hinauswollte. Dennoch ist Joe R. Lansdales Roman "Der Teufelskeiler" - sei er nun eine Parabel, ein Abenteuer- oder ein Jugendroman - ein Werk, dessen Schreibstil trotz aller Unklarheiten überzeugt.


Titelbild

Joe R. Lansdale: Der Teufelskeiler. Roman.
Übersetzt aus dem Englischen von Richard Betzenbichler.
Shayol Verlag, Berlin 2008.
141 Seiten, 12,90 EUR.
ISBN-13: 9783926126849

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch