Die Melancholie des Außenseiters

Eine Kindheit in der südafrikanischen Provinz

Von Heribert HovenRSS-Newsfeed neuer Artikel von Heribert Hoven

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Die Kindheit ist das Thema des Romans "Der Junge" des südafrikanischen Erzählers J. M. Coetzee. Handlungsort dieser, wie der Untertitel besagt, "afrikanischen Kindheit" ist ein ödes Provinznest nördlich von Kapstadt. Der Vater ist an der Seele verletzt aus dem Krieg zurückgekehrt und gerät immer mehr auf Abwege. Der sensible Junge fühlt sich um so stärker zur Mutter hingezogen, die durch ihren Sohn eigene Probleme kompensiert, so daß dieser "ein Leben, gebeugt unter der Schuldenlast von Liebe" führt. Freunde und Schule bringen wenig Verständnis für das Anderssein des durchaus ehrgeizigen Außenseiters auf, in dem sich schon bald ein Schriftsteller ankündigt. Die Kindheit wird zudem überschattet von dem spannungsreichen Nebeneinander von Afrikanern, Engländern und Schwarzen. Flucht aus der häuslichen Tristess bietet die Ferienzeit auf der Farm des Onkels, wo sich noch etwas vom Geist der ersten Siedler erhalten hat. Obwohl Coetzee als Erzähltempus das Präsens bevorzugt, liegt über seiner lakonischen Erzählung die Melancholie einer vergangenen Epoche. Der herausragende Roman erhebt den Imperativ, der an den afrikanischen Jungen gestellt wird, zum ästhetischen Prinzip: "Laß sehen, woraus du gemacht bist."

Titelbild

John Maxwell Coetzee: Der Junge. Eine afrikanische Kindheit.
S. Fischer Verlag, Frankfurt a. M. 1998.
208 Seiten, 17,40 EUR.
ISBN-10: 3100108116

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