Erinnerung an die „Flugasche“

Über Monika Marons ‚Bericht‘ „Bitterfelder Bogen“

Von Peter MohrRSS-Newsfeed neuer Artikel von Peter Mohr

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Die kürzlich mit dem Deutschen Nationalpreis ausgezeichnete Schriftstellerin Monika Maron begibt sich mit ihrem neuen Band auf die Spuren ihrer literarischen Anfänge. In den 1970er-Jahren hatte Maron die Industriestadt Bitterfeld (dreißig Kilometer nördlich von Leipzig gelegen) besucht und wollte darüber eine Reportage schreiben. Doch die SED-Zensoren schritten ein, und aus dem Reportagematerial wurde später Marons erster, 1981 zunächst nur im Westen erschienener Roman „Flugasche“.

„B. ist die schmutzigste Stadt Europas“, erklärt darin Marons Romanprotagonistin Josefa Nadler. Das „B“ steht für Bitterfeld, wo täglich 180 Tonnen Asche aus den Kohlekraftwerken niedergingen und überdies auch noch Chemiekombinate der Umwelt mächtig zusetzten.

Der Gedanke, wieder nach Bitterfeld zu fahren und den „eigenen Fußstapfen hinterherzulaufen“, war der heute 68-jährigen Autorin zunächst nicht geheuer gewesen. Mit nüchternem Blick (frei von allen nostalgischen Anwandlungen) und unpathetischer Sprache liefert Monika Maron jedoch eine präzise Bestandsaufnahme. Aus dem zu DDR-Zeiten verpönten Industrierevier ist in den letzten Jahren eine prosperierende Landschaft geworden. Nicht mehr die furchterregend-riesigen Bagger auf den Abraumhalden, sondern der „Bitterfelder Bogen“, eine im Jahr 2000 von Claus Bury errichtete, leicht futuristisch anmutende Brücke über die Goitzsche, dominiert als neues Wahrzeichen die Landschaft.

Die „Kreuzberger Solarenthusiasten“ um den Wind- und Sonnenelektroniker Reiner Lemoine haben mit der Gründung der in Thalheim bei Bitterfeld angesiedelten Firma „Q-Cells“ einen ungeahnten wirtschaftlichen Aufschwung eingeleitet. Mit 40 Mitarbeitern begann die Solarzellenfabrik vor knapp zehn Jahren, inzwischen sind es 2000 geworden, und noch einmal 1500 Beschäftigte arbeiten in Tochterfirmen. Mehr als ein Dutzend Solarfabriken entstanden im Raum Bitterfeld.

Selbstverständlich gab es zuvor rund um das Industrierevier auch andere Tendenzen: Resignation und Verbitterung. „Viele Menschen haben sich von dem Schock nicht mehr erholt, wurden depressiv oder zogen sich aus Scham zurück oder verloren jeglichen inneren Halt“, zitiert Maron Bitterfelds Bürgermeisterin Petra Wust.

Im Vordergrund des Bandes stehen jedoch Figuren, die sich mit reichlich Energie, Enthusiasmus und Pioniergeist in die Nachwende-Ära gestürzt haben – wie Ingrid Weinhold, die 1990 ohne einen Pfennig Zuschuss aus den Fördertöpfen eine Maschinenfabrik aufbaute oder der Schlosser Uwe Schmorl, der es zum Produktionsleiter und Aufsichtsratsmitglied beim „größten Solarzellenhersteller der Welt“ brachte.

Maron hat mit dem „Bitterfelder Bogen“ vehement gegen die „Früher-war-alles-besser-Mentalität“ angeschrieben und zudem eindrucksvoll gezeigt, dass es auch in den neuen Bundesländern ‚blühende Landstriche‘ gibt. Ein wichtiges und authentisches Zeitzeugnis.

Titelbild

Monika Maron: Bitterfelder Bogen. Ein Bericht.
S. Fischer Verlag, Frankfurt a. M. 2009.
172 Seiten, 18,95 EUR.
ISBN-13: 9783100488282

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