Nazi-Design?

Andreas Koop versucht sich am „Corporate Design“ der Nationalsozialisten

Von Walter DelabarRSS-Newsfeed neuer Artikel von Walter Delabar

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Das NS-Regime ist in seiner Selbstdarstellung und seiner öffentlichen Wahrnehmung zweifelsohne ein Produkt des 20. Jahrhunderts: Die Durchorganisation des Regimes, die formierten Massen, die ästhetische Ausrichtung, für die die Inszenierungen Leni Riefenstahls und Albert Speers stehen, die Technikaffinität, die der Nationalsozialismus mit der völkischen Ideologie zu verbinden verstand, der Einsatz der neuen Medien Massenpresse, Film und Rundfunk für die Durchsetzung und Konsolidierung des Nationalsozialismus sind dafür die Belege. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass der geschlossene Eindruck, den das Regime bis heute macht, seine ideologische Konsistenz und die Durchgängigkeit seiner Inszenierung, selbst wiederum ein Produkt der NS-Propaganda ist.

Das gilt auch für jene angewandte Kunst, die in der politischen Propaganda der Nationalsozialisten eingesetzt wurde. Die Bilder von den Nürnberger Parteitagen und Massenaufmärschen, die bis heute prägend geblieben sind, zeigen nur eine, die formierte und geschlossene Seite des Regimes. Dass es unter der gleichgeschalteten Oberfläche einen enormen Wildwuchs zuließ oder mindestens nicht zu verhindern wusste, korrespondiert mit der spezifischen Struktur der NS-Herrschaft, in der die verschiedenen Gruppierungen und Interessen ausbalanciert werden mussten.

Andreas Koop unternimmt nun den Versuch, das Erscheinungsbild des Nationalsozialismus vorzustellen und mit den Instrumentarien zu analysieren, die in der – wie er konzediert – sich derzeit konstituierenden Designforschung entwickelt würden. Seine Studie soll die Aspekte des NS-Designs als Corporate Design untersuchen, mit dem Ziel festzuhalten, inwiefern es im „Dritten Reich“ ein konsistentes System des NS-Designs gegeben habe.

Dafür stellt er systematisch die für das NS-Corporate Design zentralen Aspekte vor: das Hakenkreuz, die SS-Rune und den Adler als Markenzeichen, die Fahne als Kernsymbol, der Farbeneinsatz und dessen Implikationen, die Wahl und der Wechsel von Schrift und Typografie und schließlich die Umsetzung NS-spezifischer Auszeichnungen im Printbereich, in den Medien und in den Masseninszenierungen. Außerdem widmet er einen Abschnitt seiner Studie dem Einsatz von Uniformen. In eigenen Abschnitten leitet er den Nationalsozialismus aus der Völkischen Bewegung ab, gibt eine kurze Einführung in die Problematik der Weimarer Republik und kommentiert seine Lektüre von Victor Klemperers einflussreichen Notizen über den Sprachverfall im „Dritten Reich“, die unter dem Titel „LTI“ („Lingua Tertii Imperii“) 1947 erschienen.

Die Stärke des Bandes liegt zweifelsohne in der Zusammenstellung von Bildzeugnissen, die die Selbstdarstellung und das Erscheinungsbild des Nationalsozialismus kennzeichnen. Hier finden sich gesammelt und in brillanter Wiedergabe zahlreiche Dokumente des NS-Designs, von den Fahnen über die Uniformen bis hin zu zahlreichen Druckprodukten. Dabei lassen sich bereits beim ersten Sichten deutliche Brüche im Erscheinungsbild feststellen, die weit über die von Koop festgehaltenen Inkonsistenzen etwa bei der Verarbeitung der NS-Symbole hinausgehen.

Irritierend sind allerdings auch in diesem Bereich die Lücken, die Koop lässt. So fehlen Verweise auf die von Joseph Goebbels intensiv vorangetriebene Kodifizierung des NS-Erscheinungsbildes und auf die politischen Kampagnen der Nationalsozialisten, ein Bereich immerhin, der auch für einen Designer von größerem Interesse sein dürfte. Hinweise auf die berühmte Kampagne „Hitler über Deutschland“ aus dem Jahr 1932 fehlen ganz, obwohl sie in der Forschung als eines der Paradigmen für die Modernität des Nationalsozialismus gilt.

Zwar zeigt Koop in seinem Abschnitt über Printprodukte unter anderem auch Propagandablätter wie „Signal“ und die Kulturzeitschrift „die neue linie“, er nimmt aber anscheinend die offensichtliche Differenz dieser Medien zu den völkischen Auszeichnungen nicht wahr, die er an anderer Stelle als exemplarisch und dominant bezeichnet. Die Ableitung der NS-Symbole aus der völkischen Tradition ist ihm immerhin ein eigenes Kapitel wert, auf die Übernahme zentraler Auszeichnungen wie der roten Farbe von der Linken weist er ausdrücklich hin, Koop lässt diese Themenbereiche aber weitgehend – bis auf wenige Hinweise und knappe Bemerkungen – unbehandelt. So nimmt er zwar das Schlagwort von der „reaktionären Moderne“ des Nationalsozialismus auf, meint aber festhalten zu müssen, dass der Nationalsozialismus wohl tendenziell eher reaktionär gewesen sei und sich so auch gezeigt habe.

Daran aber lässt sich zweifeln, nicht zuletzt weil der Band wenig fundiert wirkt: Die Forschung zur NS-Propaganda ist nicht berücksichtigt, der aktuelle Stand der historiografischen Diskussion findet sich nicht, während sich im Literaturverzeichnis immerhin einige Titel finden, die auf eine Beschäftigung mit der Ästhetik des „Dritten Reiches“ schließen lassen, wenn sie auch über Ansätze nicht hinausgeht. Insgesamt wirkt die Studie auffallend unengagiert, in den historischen Kapiteln, soweit die Genese und Struktur des NS-Regimes behandelt werden, brüchig und unreflektiert – sie wegzulassen, wäre sinnvoll gewesen.

Aber sogar in den Bereichen, in denen eine konzentrierte Analyse und Diskussion des Erscheinungsbildes des Nationalsozialismus zu erwarten gewesen wäre – immerhin liegt hier die Kernkompetenz Koops–, ist der Band enttäuschend. Koop beschränkt sich in großen Teilen auf das Sachreferat, etwa beim Verweis auf die Existenz der Zeitschrift „Brennessel“, die ein NS-Gegengewicht zum linken „Simplicissimus“ darstellt – über deren Konzept erfährt man leider nichts. Auch dass Kalender bislang kaum beachtet worden seien, obwohl mit ihnen doch gerade jugendliche Zielgruppen gut erreicht würden, lässt sich erfahren, aber was ihre Gestaltung und ihr Konzept auszeichnet – Fehlanzeige.

Koops Band zeigt also insgesamt große Schwächen – so professionell er auch aufgemacht ist. Dabei ist die Idee, den Nationalsozialismus aus der Perspektive der modernen Unternehmenskommunikation zu analysieren, von großem Reiz, auch wenn es sich anböte, dies nicht nur mit den Instrumentarien des Corporate Designs anzugehen.

Titelbild

Volker Koop: NSCI. Das visuelle Erscheinungsbild der Nationalsozialisten. 1920 - 1945.
Verlag Hermann Schmidt, Mainz 2008.
152 Seiten, 29,80 EUR.
ISBN-13: 9783874397681

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